Uganda geht das Geld für humanitäre Hilfe aus
7. Juli 2020Mehr als Tausend Asylsuchende strömten vergangene Woche durch die beiden Grenzübergänge Guladjo und Mount Zeu im ugandischen Distrikt Zombo. Dort, im Nordwesten Ugandas, spielen sich seit Wochen dramatische Flüchtlingsszenen ab - sie zeigen nur einen Bruchteil der humanitären Katastrophe in Ostafrika. Die meisten der 1500 Flüchtlinge sind Frauen, Kinder und Ältere. Sie zählen zu den etwa 10.000 Menschen, die aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo in Richtung Uganda geflohen sind.
Sie strandeten schon im Mai an der Grenze. Mit Hilfe der internationalen Hilfsorganisation UNHCR harrten sie aus. Das ostafrikanische Land hatte bereits im März einen Flüchtlingsstopp verhängt: aus Sorge, das Coronavirus könnte sich ausbreiten. Mitte Juni wies Ugandas Präsident Yoweri Museveni seine Minister an, die Grenzübergänge wieder zu öffnen und sie alle aufzunehmen.
Umgeleitete Ressourcen
Die Pandemie und die Einschränkungen der Freizügigkeit in den letzten Monaten sind mit anderen Krisen in Afrika zusammengeprallt: Dürren, Überschwemmungen, Heuschreckenplagen, Armut und anderen Krankheiten wie Malaria und Masern. Das hat die Lage in der Region erschwert. "Uganda ist ein beispielhaftes Land. Andere Länder in der Welt können viel von der großzügigen und offenen Flüchtlingspolitik Ugandas lernen", sagte Duniya Aslam Khan, Ugandas UNHCR-Sprecherin.
Es beherbergt bereits 1,4 Millionen Flüchtlinge - sie kommen vor allem aus der Demokratischen Republik Kongo, dem Südsudan und Burundi.
Uganda hat einige seiner Ressourcen für den Kampf gegen COVID-19 umgewidmet. Doch das ostafrikanische Land wird der Krise nicht Herr. Präsident Museveni gibt zu, dass sein Land wegen seiner begrenzten Mittel nicht viel mehr für Flüchtlinge tun kann.
Das UNHCR in Uganda fordert 28 Millionen US-Dollar an Nothilfe, um allen Bedürfnissen der Flüchtlinge gerecht zu werden. Das Flüchtlingswerk wird fast vollständig von Gebern finanziert.
Mittel werden knapp
Die Vereinten Nationen sowie internationale Hilfsorganisationen hatten dazu aufgerufen, Gelder zu sammeln um Bemühungen von Ländern wie Uganda, um Flüchtlinge und Asylsuchende zu unterstüzten. Der Finanzierungsbedarf des UNHCR für das Jahr 2020 betrug 357 Millionen Euro. Aber nur 18 Prozent dieser Summe sind aufgebracht worden. "Jetzt sind wir mit der globalen COVID-19-Krise konfrontiert, die uns gezwungen hat, unsere Ressourcen für die Bedürfnisse nicht nur der Flüchtlinge, sondern auch ihrer lokalen Gastgeber bereitzustellen", sagt Khan. Und fügt besorgt an: "Uns geht wirklich das Geld aus."
In Bidibidi spürt man die Auswirkungen. Der Leiter der Flüchtlingssiedlung im Nordwesten, Michael Nabugere, betonte im DW-Interview, dass Maßnahmen gegen die Ausbreitung von COVID-19 auch seine Operationen ausgebremst hätten. "Alles ist langsam. Die Partner sind von verschiedenen Sperrmaßnahmen betroffen, die von den Regierungen eingeführt wurden", sagte Nabugere. "Wir haben bisher keine Infektionen in der Gemeinde, aber die Maßnahmen haben auch drastische Auswirkungen auf die Operation gehabt".
Nach Angaben der Vereinten Nationen gibt es in Uganda offiziell knapp 1000 Fälle, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Darunter sind 52 Flüchtlinge (Stand 4. Juli).
Die Realität trifft hart
Bidibidi - bis vor kurzem die größte Flüchtlingssiedlung der Welt - beherbergt mehr als 270.000 Menschen aus ganz Afrika. "Das Leben ist in diesen Tagen seit COVID hart. Wir mussten zunächst einmal die Lebensmittelrationen von 100 auf 70 Prozent reduzieren. Das hat das Leben der Mehrheit der Familien, die nicht über die Runden kommen, erschwert", beschreibt Nabugere die Situation.
62 Prozent der Flüchtlinge in Uganda sind Frauen und Kinder, teilt die Hilfsorganisation WorldVision mit. Tausende Kinder sind ohne ihre Eltern unterwegs. "Wir versuchen, für sie Pflegefamilien zu finden", sagt Mary Njeri, Mitarbeiterin WorldVision Uganda. Schulen sind geschlossen, die Erziehung bleibt auf der Strecke. Das Leben in den Lagern ist von hartem Alltag gekennzeichnet. In Bidibidi sind Teenagerschwangerschaften gestiegen. Es fehlen sauberes Wasser und Feuerholz. Durch die Beschränkungen in der Corona-Krise hätten viele der Flüchtlinge ihre Möglichkeiten verloren, ein wenig Geld zu verdienen, sagt Njeri.
Die ugandische Regierung hatte Flüchtlinge zur Rückkehr aufgefordert, unabhängig von ihrer Herkunft. Darunter sind etwa 50.000 Burundier. Doch die Angst vor der desolaten Situation in ihren Heimatländern spielt für die Flüchtlinge eine große Rolle. "Auch wenn der ehemalige Präsident nicht mehr da ist - das Regime ist noch dasselbe. Es hat sich nichts verändert. Wir haben Angst, getötet zu werden. Wir fürchten uns vor der Polizei, die Imbonerakure", sagt eine burundische Frau, die in einem Lager im Nachbarland Tansania ausharren will. Sie möchte aus Schutz anonym bleiben. Nach dem Tod des burundischen Präsidenten Pierre Nkurunziza hat sein Parteifreund Évariste Ndayishimiye die Regierung übernommen. Es sieht derzeit nicht danach aus, dass sich die repressive Lage verbessern wird.
Weltweite Solidarität nötig
Uganda braucht viel Geld im Kampf gegen die Corona-Krise. Die UNHCR-Sprecherin Khan findet die Hilfsbereitschaft des Landes nicht selbstverständlich: Dort leben 40 Millionen Einwohnern und das Armutsniveau ist hoch, betont sie. Wenn die Weltgemeinschaft möchte, dass Uganda diese Verantwortung gegenüber Flüchtlingen weiter trage, sei mehr globale Solidarität in Form von finanzieller Unterstützung notwendig, fordert sie.
Doch nicht nur in Uganda, in der gesamten Region ist die Situation komplex, wie Karoline Rosholf, die regionale Leiterin der ostafrikanischen Unterstützungseinheit beim Norwegischen Flüchtlingsrat (NRC), sagt. "Wenn wir uns Ostafrika, das Horn von Afrika und die Großen Seen anschauen, dann haben wir jetzt insgesamt 4,6 Millionen Flüchtlinge und 8,1 Millionen Binnen-Vertriebene. Wir haben noch keinen großen Ausbruch von COVID in dieser Bevölkerung erlebt", sagte Rosholf. Für Flüchtlinge ist die Situation besonders schwierig, wenn sie für die Regierungen nicht so wichtig erscheinen. "Im Allgemeinen stellen wir fest, dass sich die Regierungen auf ihre nationale Bevölkerung konzentrieren und vielleicht weniger auf die Flüchtlinge - sie stehen nicht im Mittelpunkt."
Mitarbeit: Josephine Mahachi, Inès Gakiza