Udo Lindenberg
18. Oktober 2013"Handele nach deiner Überzeugung, sei Individualist, marschiere nicht so mit den Anderen, sondern gehe deinen eigenen Weg", beschreibt Udo der DW seine Lebensphilosophie. Konsequent gibt er diesen Überzeugten seit vierzig Jahren: In hautengen schwarzen Jeans, mit Filzhut und Sonnenbrille, schnoddriger Sprache und schlaksigem Gang.
Mit 27 wurde der erfolgreiche Drummer zum Sänger. Und er traute sich was: Rock mit deutschen Texten für ein breites Publikum. Da war Udo der Erste. Das Zwischenmenschliche steht bei ihm im Mittelpunkt. Beobachtungen von der Straße hielt Udo in der Kneipe auf Bierdeckeln fest, verpackte sie in Geschichten seiner Kunstfiguren Bodo Ballermann, Rudi Ratlos und Elli Pyrelli. Udos "Panikorchester" schoss damit direkt in die deutschen Charts. 1973 ging die Truppe das erste Mal auf Tournee.
Mädchen aus Ostberlin
Udo besuchte Ostberlin und verliebte sich. "Mädchen aus Ostberlin" heißt sein Song von 1973, in dem er mit der Angebeteten Manu von einem Rockkonzert 'mit den Rolling Stones und einer Band aus Moskau' am Ostberliner Alexanderplatz träumt. Der Traum vom freien, lockeren Osten wurde zum roten Faden durch Udos Werk. Seine Freundin aus Ostberlin wollte Udo Lindenberg von professionellen Schleusern in den Westen bringen lassen, wurde vorher aber in der DDR vorübergehend festgenommen. Die STASI, der damalige DDR-Geheimdienst, war über jeden Schritt des sogenannten "BRD-Rockers" informiert. Einreiseanträge wurden ab sofort kommentarlos abgelehnt.
Im Westen wurde Udo Lindenberg immer erfolgreicher. Er sang von Alltagsdramen und eigenem Alkoholmissbrauch. Und er ist schon immer politisch gewesen. Mit seinem 'Panikorchester' rockte er gegen Umweltzerstörung und soziale Missstände. 1979 trat er beim ersten deutschen "Rock gegen Rechts" auf.
Die deutsche Teilung ließ Udo nicht mehr los. 1976 forderte er zum ersten Mal eine "Panik-Tournee durch die DDR", wünschte sich eine "Rock'n'Roll Arena" in der ostdeutschen Stadt Jena. Aber ein Auftritt in der DDR komme nicht in Frage, antwortete der Chefideologe der SED, Kurt Hager. Songs wie "Mädchen aus Ostberlin" und "Rock'n'Roll Arena in Jena" wurden in der DDR verboten. "Dort hatten wir trotzdem viele Fans", erinnert sich Udo, er habe ein bisschen Hoffnung und Optimismus reingesungen ins Klima. "Gegen den Kalten Krieg und für den Dialog: 'Scheiß Mauer muss weg!' und so."
West-Radio auf'm Klo
In seinem Song von 1983 'Sonderzug nach Pankow' nimmt Udo den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker zu Harry Warren’s 'Chattanooga Choo Choo' auf den Arm: "Ey Honey / ich sing für wenig Money / im Republik-Palast / wenn ihr mich lasst." Ostdeutsche Medien boykottierten den Song. Doch Udos bis dahin größter kommerzieller Erfolg erntete auch im Westen Kritik. Das amüsante Techtelmechtel zwischen Panikrocker und Staatsratsvorsitzendem verschleiere, so die Meinung der Kritiker, dass allein der Besitz von verbotenen Lindenberg-Platten in der DDR zu Festnahmen führen könne. Noch Jahre später wehrte sich der Sänger gegen diesen Vorwurf: Er wolle nicht für die Funktionäre der DDR singen, sondern für die Menschen, die "Paniksympathisanten" im andern Deutschland.
Ein Auftritt in der DDR gelang ihm unerwartet im Oktober 1983. Weil Udo sich bei Demonstrationen im Westen gegen NATO-Atomraketen äußerte, durfte er im Ost-Berliner 'Palast der Republik' im Rahmen des Festivals "Für den Frieden der Welt" vor ausgesuchtem Publikum auftreten. "Wozu sind Kriege da?" sang er an jenem Ort, und eckte mit Forderungen zur Abschaffung russischer SS 20-Raketen an.
Gitarren statt Knarren
Die STASI befand Udo als einen "pessimistischen, zerstörerischen Menschen, dessen dekadentes Auftreten Maffia-artige Züge hat". Eine bereits genehmigte DDR-Tournee wurde ohne Begründung abgesagt. In der DDR kam es zu Tumulten. Lindenberg gab dennoch nicht auf: Bei Honeckers erstem Staatsbesuch 1987 in Westdeutschland schenkte er dem DDR-Staatsratsvorsitzenden seine Lederjacke und eine Gitarre mit der Aufschrift "Gitarren statt Knarren".
Im Juni 1988 trat Udo zusammen mit Michael Jackson, Pink Floyd und Nina Hagen beim Rockkonzert vor dem Reichstag in West-Berlin auf, während zeitgleich auf der Ostseite, hinter dem Reichstag, Fans gegen die Mauer demonstrierten. Auf seine erste Tournee durch den Hammer-und-Sichel-Staat musste Udo Lindenberg noch bis nach dem Mauerfall warten.
Keine Rente mit 67
Udo Lindenberg erlitt einen Herzanfall, kehrte aber auf die Bühne zurück, und als sein Panikorchester 1990 live in Leipzig auftrat, zeigten sich die treuen Fans in Ostdeutschland gerührt. Doch Udo Lindenberg fiel es schwer, die neuen politischen Verhältnisse in Musik umzusetzen. Der große Erfolg blieb aus. "Da ging ich mir selber ein bisschen verloren", sagt er.
Als selbst treueste Fans glaubten, Udo sei ein Mann von gestern, kam 2008 nach achtjähriger Pause sein 40. Album heraus. "Stark wie Zwei" wurde sein erstes Album, das auf Platz Eins der gesamtdeutschen Charts landete. Es ist eine Hymne an die Kraft, an Mut und Freundschaft: "Nimm dir das Leben und lass es nicht mehr los". Die Textzeile ist schön. Die Botschaft ist wahr. Und man spürt: Rente mit 67 ist nichts für Udo.