Türkei brüskiert über Armenien-Resolution
30. Mai 2016Ministerpräsident Binali Yildirim (Artikelbild), der erst seit wenigen Tagen im Amt ist, kritisierte die geplante Bundestagsresolution zu den Massakern an den Armeniern in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel scharf. Die Resolution, die die Massaker als "Völkermord" einstuft, enthalte "ungerechte und grundlose" Anschuldigungen, sagte Yildirim nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu bei dem Gespräch.
Yildirim: Auch die Türken in Deutschland sind in Sorge
Die Regierung in Ankara, die Türkei und Millionen Türken in Deutschland beobachteten die Entwicklung "mit Sorge". Es werde erwartet, dass die Bundesregierung und der Bundestag in der Angelegenheit einen "gesunden Menschenverstand" an den Tag legten.
Vize-Ministerpräsident und Regierungssprecher Numan Kurtulmus nahm ebenfalls Stellung zum Thema. Er sagte nach einer Kabinettssitzung in Ankara, es sei nicht Aufgabe von Parlamenten, sondern von unabhängigen Historikern, die Vorgänge von damals aufzuklären. "Niemand wird dem Wort auch nur irgendeines Parlaments in dieser Sache Beachtung schenken." Und, so Kurtulmus weiter: "Deutschland solle auf seine Beziehungen zur Türkei achten. Er glaube nicht, dass der Bundestag "diese Beziehung zerstören wird, um die Interessen von zwei oder drei Politikern zu verfolgen", warnte der stellvertretende Regierungschef.
Mindestens 800.000 Menschen starben
Der Bundestag will am Donnerstag eine gemeinsame Resolution von Union, SPD und Grünen beschließen, in der die Massentötung und Deportationen von Armeniern im Osmanischen Reich in den Jahren zwischen 1915 und 1917 als Völkermord eingestuft werden. Nach Schätzungen kamen dabei vor 100 Jahren zwischen 800.000 und 1,5 Millionen Angehörige der christlichen Minderheit ums Leben. Die Türkei bedauert das, lehnt die Einstufung als Völkermord aber strikt ab.
Bislang haben mehr als 20 Staaten die Massaker an den Armeniern als Völkermord eingestuft, darunter Frankreich, Italien und Russland. Ankara hatte in den vergangenen Jahren stets mit scharfer Kritik und diplomatischen Schritten auf die Anerkennung des Völkermordes im Ausland reagiert.
haz/sc (rtr, dpa, afp)