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Türkische Offensive gegen kurdische YPG

Tom Stevenson / cgn (mit dpa/afp)25. August 2016

Die türkische Armee hat die Grenze nach Syrien überschritten und die Kontrolle über die Stadt Dscharablus vom "Islamischen Staat" übernommen. Warum jetzt? Tom Stevenson berichtet aus Istanbul.

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In Syrien steigt eine Rauchwolke auf einem Feld auf (Foto: Getty Images/AFP/B. Kilic)
Bild: Getty Images/AFP/B. Kilic

Zum ersten Mal seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges haben türkische Truppen - unterstützt von den USA - die Grenze nach Syrien überschritten und sind offen gegen IS-Einheiten vorgegangen. Damit war die türkische Armee den syrisch-kurdischen Streitkräften zuvorgekommen, die die Stadt auch erobern wollten.

In den frühen Morgenstunden hatte die Türkei begonnen, mit schwerer Artillerie die vom IS-kontrollierte Stadt zu beschießen. Dscharablus liegt an der türkisch-syrischen Grenze an den Ufern des Euphrat.

Einsatz der Luftwaffe

Begleitet wurde der Angriff durch türkische F-16-Kampfjets, die Stellungen des IS in der Stadt bombardierten. So wurde der Einsatz türkischer Spezialeinheiten vorbereitet. Türkische Panzereinheiten unterstützten den Vormarsch mit in Deutschland gebauten Leopard-Panzern. Beteiligt waren auch rund 1500 Kämpfer der "Freien Syrischen Armee", die von der Türkei unterstützt werden. Die USA haben bestätigt, dass sie den türkischen Vormarsch aus der Luft unterstützen.

Erdogan benennt Gegner

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte, dass die Türkei die Operation gegen die Terrorgruppen, "die ständig unser Land bedrohen", gestartet habe. Für die Regierung in Ankara sind sowohl der "IS" als auch die kurdische "YPG" Terroristen. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim bestätigte, dass die Türkei die Angriffe ausweiten will. Die von der Türkei unterstützten syrischen Rebellen rücken nun auf die Stadt Rakka vor, die sich in der Hand des "IS" befindet.

Vor dem türkischen Angriff auf Dscharablus waren syrisch-kurdische Einheiten, die der "PKK" nahestehen, nach ihrem Sieg über den "IS" (in der Stadt Manbidsch) Richtung Dscharablus vorgerückt.

Inzwischen gibt es Informationen, nach denen die kurdischen Einheiten begonnen haben sollen, sich über den Euphrat zurückzuziehen. Die Türkei hat weitere Panzer nach Syrien verlegt. Die syrische Führung verurteilte die türkische Intervention scharf.

Ein Vorwand der Türkei?

Die syrisch-kurdischen Streitkräfte sagen, die türkische Operation mit dem Namen "Schutzschild Euphrat" verfolge stärker das Ziel, den kurdischen Vormarsch gegen den IS zu stoppen, als tatsächlich gegen den "IS" vorzugehen.

Während der Operation hatte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu die Kurden gewarnt, sich von Dscharablus fernzuhalten. "Wenn die "YPG" sich nicht in den Osten des Euphrat zurückzieht, wird die Türkei das tun, was notwendig ist", sagte Cavusoglu.

Mordvorwurf gegen türkische Geheimdienstmitarbeiter

Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben den türkischen Geheimdienst beschuldigt. er habe unmittelbar vor dem Beginn der Operation den Kommandeur der kurdischen Einheiten, Abdulsettar Al-Cadiri, ermordet.

Salih Muslim (Foto: Getty Images/AFP/B. Kilic)
Erhebt Vorwürfe gegen die Türkei: Salih MuslimBild: picture-alliance/AA/D. Aydemir

Der Chef der syrisch-kurdischen Streitkräfte, Salih Muslim, behauptete vor dem türkischen Angriff, dass die Türkei Dschihadisten in Syrien unterstütze. "Die Türkei ist dabei, Terrorgruppen wie Al-Kaida in Syrien zu reaktivieren, die die Enthauptung von Kindern feiern", sagte Muslim.

Via Twitter bezog Muslim zum Einmarsch der Türken Stellung: "Die Türkei ist im syrischen Sumpf und wird besiegt werden wie Daesh." (Daesh ist die arabische Bezeichung für den IS, Red.). Der türkische Außenminister Cavusoglu erwiderte: "Unsere Absicht ist es, den Sumpf trockenzulegen."

Ein türkischer Panzer fährt auf einer Straße (Foto: Dursun Aydemir / Anadolu Agency)
Die Türkei hat weitere Panzer nach Syrien verlegtBild: Getty Images/AFP/B. Kilic

Nach Einschätzung eines westlichen Geheimdienst-Mitarbeiters in Gaziantep wirft die Zusammensetzung der 1500-Mann-starken Truppe, die von der Türkei unterstützt wird, tatsächlich Fragen auf. "Es gibt Anzeichen dafür, dass die Einheiten aus Kämpfern von "Ahrar al-Sham" bestehen. Aber es war auch die Rede von einer möglichen Fusion von "Ahrar al-Sham", "Nur ad-Deen az-Zinki" und "Jabhat Fatah al-Sham"", sagte der Analyst, der anonym bleiben möchte, der Deutschen Welle.

"Jabhat Fatah al-sham" war früher als "Al-Kaida" in Verbindung mit "Jabhat al-Nusra" bekannt. Auch Kämpfer der Gruppe "Liwa Suqour al-Jebal" ("Falken der Berg-Brigade"), eine syrische - von den USA unterstützte Miliz -, soll sich unter den von der Türkei unterstützten Streitkräften befinden.

Der türkische Strategiewechsel

Die Intervention der Türkei unterstreiche, wie die türkische Regierung ihre Position im syrischen Bürgerkrieg verschiebt, sagt Selim Sazak, zuständig für außenpolitische Analysen bei der "Century Foundation", einer Politikberatung in Washington.

"Die ursprüngliche Politik der Türkei unter Ex-Premierminister Davutoglu war es, einen Regimewechsel in Syrien mit anzuschieben", sagte Sazak der Deutschen Welle. "Dann sah sich die Türkei mit der Möglichkeit konfrontiert, dass sich die "PKK" in Nord-Syrien eine sichere Bastion schaffen könnte. Nun scheint Ankara einen Wechsel vollzogen zu haben, weg vom totalen Regimewechsel hin zu einer Eindämmung der "YPG" und der Verhinderung einer sicheren Bastion der "PKK" in Nord-Syrien."

kurdische Kämpfer der People's Protection Units (Foto: Reuters)
Eigentliches Ziel der türkischen Invasion in Syrien? Syrisch-kurdische Streitkräfte, die mit den USA verbündet sindBild: Reuters/G. Tomasevic

Sazak verweist darauf, dass sich die Türkei im vergangenen Jahr innerhalb der eigenen Grenzen Attacken des "IS" und einem "PKK"-Aufstand ausgesetzt sah. "Die Türkei hat jetzt den Kampf gegen sie aufgenommen - nach dem Wechsel von Davutoglu zum pragmatischen Premierminister Yildirim. Das Verhältnis zu Russland wurde repariert. Scheinbar hat man alle Hoffnung in die USA verloren, dass sie die kurdische "YPG" an der kurzen Leine hält."

Für Selim Koru, Mitarbeiter beim türkischen Politik- und Wirtschaftsinstitut "TEPAV", ist der überraschendste Faktor der Operation gegen Dscharablus der, dass es so lange gedauert habe, bis die Türkei intervenierte. "Die Türkei hatte lange eine sichere Zone gefordert und klar gemacht, dass sie keinen "PYD"- Staat (der militärische Arm der YPG, Red.) an ihrer südlichen Grenze dulden wird", sagte Koru der Deutschen Welle: "Die Offensive bei Manbidsch und das Vorrücken der "PYD" machte das wohl umso dringlicher."

Eingreifen erst nach dem Putsch

Koru führt an, dass es Anzeichen dafür gebe, dass die türkische Regierung schon früher in Syrien intervenieren wollte. Dagegen habe es aber Widerstand beim türkischen Militär gegeben.

Nach der Säuberungsaktion innerhalb der Armee nach dem Putsch habe die Regierung nun freie Hand. "Aus strategischer Sicht wäre es für die Regierung besser gewesen, viel früher in Syrien zu intervenieren. Aber sie hatte kein Vertrauen in ihre Institutionen, so dass sie es nicht tun konnte. Nun ging das offenbar."

Warnschild der türkischen Armee (Foto: Reuters/M. Sezer)
Warnschild der türkischen ArmeeBild: Reuters/M. Sezer

Koru fügte hinzu, dass die Gefahr von Anschlägen durch den "IS" innerhalb der Türkei zunehmen könnte. Allerdings sei das Verhältnis zwischen der Türkei und dem "IS" kompliziert. Vielleicht werde aber auch nach dem Einmarsch der Türkei in Syrien der Einfluss auf die Terrormiliz größer, so dass sich die Anschlagsgefahr reduziere, sagte Koru.

"Aber wir müssen davon ausgehen, dass trotz aller Razzien und Ermittlungen der "IS" in der Türkei über ein umfangreiches Netzwerk verfügt. Wenn also der Krieg zwischen dem "IS" und der Türkei eskaliert, könnte es für den "Islamischen Staat" Sinn machen, zivile Ziele in der Türkei anzugreifen."