Türkische NATO-Soldaten beantragen Asyl
28. Januar 2017Medienberichten zufolge haben etwa 40 in NATO-Einrichtungen stationierte türkische Soldaten in Deutschland Asyl beantragt. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" und des ARD-Magazins "Report Mainz" handelt es sich größtenteils um ranghohe Militärs.
"Ich habe keine Sympathien für die Putschisten"
Zwei Offiziere, die im rheinland-pfälzischen Ramstein stationiert waren, betonen in einem Interview des "Report Mainz" und "Der Speigel", mit dem Putschversuch in der Türkei nichts zu tun zu haben. "Glauben Sie mir, ich habe keine Sympathien für die Putschisten. Diese Leute müssen bestraft werden. Sie haben auch unser Leben zerstört", sagte einer der Offiziere den Reportern des ARD-Magazins. Die Soldaten beschuldigen demnach Präsident Recep Tayyip Erdogan, pro-westliche und säkulare Haltungen von Türken im Militär systematisch abzustrafen. " Wenn man schaut, wer alles entlassen wurde, dann wird deutlich, dass uns alle eines verbindet: Wir sind erfolgreich, westlich orientiert, säkular, und wir glauben an die Demokratie", sagt einer der beiden Offiziere.
Die türkische Regierung geht seit dem gescheiterten Putsch massiv gegen mutmaßliche Anhänger des Predigers Fethullah Gülen vor, den sie für den Umsturzversuch verantwortlich macht. Neben vielen anderen wurden in der Folge auch Tausende Soldaten festgenommen. Anfang November - also gut vier Monate nach dem Putschversuch - hatten mehrere türkische Soldaten aus dem NATO-Hauptquartier im pfälzischen Ramstein um Asyl in Deutschland gebeten. Eine Rückkehr in die Türkei schließen die beiden Männer derzeit aus. In der Türkei drohen ihnen lange Haftstrafen und womöglich Folter. Auch in Deutschland fürchten sich die Soldaten vor den Attacken der Anhänger von Präsident Erdogan, weil türkische Fernsehsender gegen sie hetzen und sie "Terroristen" und "Vaterlandsverräter" nennen.
Ein Asylfall wie jeder andere?
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wollte sich damals nicht zu den Asylanträgen äußern und kommentierte den Vorgang mit den Worten: "Das ist eine nationale Angelegenheit und eine nationale Entscheidung." Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das Bundesinnenministerium betonten dem "Spiegel" zufolge, der Fall der beiden asylsuchenden NATO-Offiziere werde behandelt wie andere Asylfälle auch. Nach Artikel 16a des Grundgesetzes genießen politisch Verfolgte Asylrecht in Deutschland.
"Es gibt keinen Zweifel, dass wir diese Soldaten nicht in die Türkei zurückschicken können", zitiert der "Spiegel" den CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. "Sie würden dort sofort im Gefängnis landen." Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, sagte: "Das Asylverfahren ist rein rechtlich, politische Erwägungen dürfen dabei keine Rolle spielen und werden es auch nicht."
Merkel zu Gesprächen in Ankara
Doch der Fall der 40 Asylsuchenden NATO-Soldaten ist heikel und ein Fall für die deutsche Diplomatie. Das politische Verhältnis zur Türkei ist seit Monaten gespannt. Kurz vor der Türkei-Reise von Kanzlerin Angela Merkel gewinnt ihr Besuch beim politisch auf Konfrontationskurs steuernden NATO-Verbündeten weiter an Brisanz. Dem Nachbarn Griechenland droht die türkische Regierung schon mit Konsequenzen, nachdem der oberste griechische Gerichtshof am Donnerstag die Auslieferung acht türkischer Militärs verweigert hatte. Sie waren im Juli 2016 während des Putschversuchs in der Türkei per Hubschrauber nach Griechenland geflohen und hatten dort Asyl beantragt. Ankara stuft die Militärs als Putschisten ein und will das Gerichtsurteil nicht hinnehmen. Neben dem Flüchtlingspakt mit der EU habe die Türkei auch ein bilaterales Rücknahmeabkommen mit Griechenland, das nun beendet werde, zitierte der türkische Staatssender TRT am Freitag Außenminister Mevlüt Cavusoglu.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel will, dass das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei funktioniert. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist heikel, da Merkel am Donnerstag - einen Tag vor dem EU-Gipfel auf Malta - zu politischen Gesprächen in die Türkei reist.
pab/mak (ARD, dpa, Der Spiegel)