"Türkisch für Anfänger" - Spaß für alle
25. März 2006Ständig grübelt die EU darüber, wie sie ihre Einwanderer besser integrieren kann, seit Monaten beschäftigt der Karikaturenstreit Politik und Medien, und Skeptiker prophezeien das nahe Ende der Beziehungen zwischen Orient und Okzident. Mit der neuen ARD-Vorabenderie "Türkisch für Anfänger" gibt es endlich mal wieder etwas, worüber Türken und Deutsche gemeinsam lachen können.
Die Geschichte ist relativ einfach gestrickt: Der türkische Metin zieht mit der deutschen Doris zusammen, jeder der beiden hat zwei Kinder. Natürlich geht es auch um ganz normalen Familienzwist, Liebeskummer oder Tochter-Mutter-Probleme. Doch ob Kopftuch kontra freizügige Kleidung, laissez-faire wider Tradition, Schweinefleisch oder Ramadan – die Serie spricht darüber hinaus genau das an, was auch in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielt.
"Es ist eine unpolitische Serie"
Doch Autor Bora Dagtekin wehrt sich gegen die Idee, dass die Serie politisch sei, ganz im Gegenteil: "Wir sind froh, dass wir eine unpolitische, freundliche Serie gemacht haben. Wir haben vor zweieinhalb Jahren angefangen, die Serie zu entwickeln - zwar mit dem Blick auf eine multinationale Gesellschaft, aber zum Ziel der Unterhaltung und ohne politischen Hintergrund." Dass die Serie so gut ankommt, liegt seiner Meinung nach nicht nur am aktuellen Bezug: "Egal, ob türkisch oder deutsch - es sind einfach gute Figuren, vielleicht ein bisschen erfrischender als andere Serienfiguren."
Auf jeden Fall sind sie manchmal ganz schön frech. Und wenn man die gegenwärtigen Konflikte zwischen der westlichen und der islamischen Kultur im Hinterkopf hat, scheint es doch gewagt, wie Tochter Lena - aus deren Perspektive die Episoden gedreht sind - auf die "Scheißtürken" schimpft. Oder ist es nicht zu provokant, dass Dagtekin die streng gläubige Yagmur gegen den Ramadan verstoßen, ja sogar Schweinefleisch essen lässt? "Nein", sagt der 27-Jährige ganz klar und erklärt: "Yagmur ist ja erst 14 Jahre alt, sie müsste also noch gar keinen Ramadan halten. Hier ist jedem Islam-Kenner klar, dass sie völlig übertreibt. Es ist also durchaus legitim, damit zu spielen."
Und als Pendant zu Lena fungiere schließlich der prollige Cem: Er schimpft auch gern auf die Deutschen und gibt sich alle Mühe, den coolen Macho zu markieren. "Beide haben in der Serie ja auch eine große Liebesgeschichte, da kann man also viele Zickereien einbauen. Das ist das Schöne an der 'Romantic Comedy' - man kann beide Charaktere so richtig einstecken und austeilen lassen. Aber am Ende einer Folge sind wir nie auf der Seite einer Kultur oder eines Landes, es steht immer eins zu eins." So würden quasi alle Probleme, mit denen wir in den vergangenen 20 Jahren zu kämpfen hatten, ironisch auf der Teenager-Ebene noch mal thematisiert.
Spiel mit Klischees und Stereotypen
Die Serie basiert auf dem Spiel mit Stereotypen, "aber die Charaktere entlarven sich gegenseitig auf eine charmante Weise", meint Dagtekin. Er ist selbst Kind eines türkischen Vaters und einer deutschen Mutter und hat Erfahrungen aus der eigenen Familiengeschichte in den Plot einfließen lassen: "Natürlich ist meine Mutter nicht so abgedreht wie Doris und mein Vater nicht so deutsch wie Metin. Aber ich habe schon mitbekommen, was es da für typische Konflikte gibt, zum Beispiel, wenn ein Türke vielleicht eher intuitiv an eine Sache rangeht und eine deutsche Frau eher mit dem Kopf."
Bisher sind zwölf Folgen abgedreht. Doch weil die Serie so gut beim Publikum ankommt, wird es wohl weitergehen. "Wir bereiten die zweite Staffel schon vor, das heißt, wir wissen schon, in welche Richtung es geht", meint der Headwriter, der sich über die guten Quoten freut. Einziger Wehrmutstropfen ist, dass keiner so genau weiß, wie viele türkische Zuschauer die Sitcom erreicht. Dabei wäre das so interessant, weil bisherige Studien zeigen, dass sie via Satellit eher türkisches als deutsches Fernsehen schauen. Dagtekin erklärt: "Aus den Reaktionen können wir zwar ablesen, dass wir auch viele türkische Zuschauer haben, und dass die Sendung in dem Milieu, wo sie spielt, also in multikulturellen Familien, gut ankommt. Aber wir wissen es nicht genau, weil die Gesellschaft für Konsumforschung türkische Zuschauer leider nicht erfasst. Aber ich hoffe schon, dass einige von TRT zur ARD umschalten."