Diplomarbeit Kopftuch
28. Juni 2011Ein rosafarbenes Tuch, kunstvoll geschlungen umhüllt den Kopf einer jungen Frau. Es bedeckt zudem Schultern und Brust. Das Gesicht der Frau rückt in den Hintergrund. Das schöne Tuch in den Vordergrund. Das Foto ist Teil der Diplomarbeit "Casprasik -Verwickelt" von Ayse Tasci. Die 28-Jährige Türkin, verheiratet mit einem Deutschen, hat vor einigen Monaten ihr Studium Kommunikationsdesign, Fachbereich Gestaltung, an der Folkwang-Hochschule in Essen abgeschlossen.
Tasci will mit ihren Fotos den Betrachter dazu veranlassen, Vorurteile über kopftuchtragenden Frauen abzubauen. Die gläubige Muslima wuchs in Aydin, einer türkischen Stadt in der Nähe der Ägäis-Küste auf. "Meine Eltern haben mir viel Freiheit gelassen", sagt sie, ein Kopftuch hat sie nie getragen. Nach ihrem Schulabschluss begann sie das Studium der Fotografie an der Marmara-Universität in Istanbul. An den Universitäten und im öffentlichen Dienst in der Türkei herrscht Kopftuchverbot. "Um dies zu umgehen, lassen sich die Frauen einiges einfallen, sie tragen zum Beispiel Mützen und Perücken, sagt Tasci." In einem ihrer Fotos ist eine Frau mit solch einer Perücke zu sehen.
Muslimas in Deutschland und das Kopftuch
Vor sieben Jahren kam Ayse Tasci nach Deutschland. Zunächst nur um dort die Sprache zu lernen. "Ich habe damals einen sehr guten Eindruck von deutschen Universitäten bekommen", sagt sie und bewarb sich an verschiedenen Hochschulen. Sie bekam einen Studienplatz in Essen. Schon zu Beginn ihres Auftenthaltes in der Bundesrepublik war ihr aufgefallen, dass viele muslimische Frauen hier ein Kopftuch tragen. Auch erfuhr sie, dass es jede Menge Vorurteile über kopftuchtragende Frauen gibt. So vermuten viele, dass die Frauen von ihren Männern unterdrückt werden, oder es ihnen an Bildung fehlt.
Da Tasci selbst keine Kopftuch trägt, wunderte sie sich, dass muslimische Frauen immer öfter Anstoß daran nahmen. Auf Fragen dazu, antwortete sie: "Für mich ist der Glauben etwas Privates. Eine Private Verbindung zwischen mir und Allah. Für mich ist es wichtig, diese Verbindung zu spüren - und nicht, ob andere sie sehen." Die Reaktion der Frauen darauf war oft Verunsicherung und Unverständnis. Tasci fühlte sich angegriffen und sprachlos. Für sie war das Kopftuch nie ein Thema. Dann hatte sie den Einfall das Thema visuell aufzuarbeiten.
Die Frau hinter dem Tuch
Sie wollte verhüllte Muslimas so fotografieren, dass ihre Gesichter fast verdeckt sind und dadurch die Kopftücher im Vordergrund stehen. So wollte sie die Gesichtlosigkeit der Frauen überzeichnen und den Persönlichkeitsverlust herausarbeiten, den das Tuch durch die dekorative Wirkung entfaltet. Sie verband damit die Hoffnung, dass die Betrachter der Fotos neugierig werden auf die Menschen hinter dem Tuch.
Es war aber nicht so einfach muslimische Frauen dazu zu bewegen, sich mit Kopftuch fotografieren zu lassen. In Supermärkten, Cafés und Universitäten sprach sie immer wieder junge Frauen an. "Viele Frauen hatten Angst sich so fotografieren zu lassen, weil sie glaubten eventuell negativ dargestellt zu werden ", sagt Tasci. Nach langem Suchen fand sie schließlich genügend Frauen, allerdings nur Türkinnen.
Das Kopftuch als modisches Accessoires
"Die Frauen waren im Fotostudio meist schüchtern", sagt Tasci. Die Posen für die Muslimas hat die junge Fotografin selbst kreiert. Sie legte dabei großen Wert darauf, dass die Gesichter der Frauen abwesend erscheinen. Über die Wickeltechniken, Farben und Materialien der Tücher entschied sie gemeinsam mit ihren Modellen. Bei ihrer Arbeit fand sie heraus, dass Kopftücher nicht nur aus religiösen Gründen getragen werden, sonden auch aus Schutz vor Belästigung von Männern und tatsächlich auch aus Spaß und modischen Gründen.
Ihre Fotos und die Texte rund ums Tuch werden demnächst im Haus der Geschichte in Bonn und im Badischen Landesmuseum in Stuttgart ausgestellt. Auch in der St. Theodor Kirche in Köln werden die Arbeiten im Herbst im Rahmen eines interreligiösen Projektes zu sehen sein. Ayse Tasci hofft zudem in der Türkei ausstellen zu können.
Autorin: Christina Beyert
Redaktion: Klaus Krämer