Präsidentschaftskandidat Karoui wieder frei
10. Oktober 2019Vor dem Gefängnis nahe Tunesiens Hauptstadt Tunis harrten Hunderte Anhänger aus, um Nabil Karoui jubelnd in Empfang zu nehmen. Dessen Anwalt teilte mit, ein Gericht habe die Beschwerde gegen die Haft akzeptiert und die Freilassung seines Mandanten angeordnet. Der Medienunternehmer ließ sich von der Menge kurz feiern und bestieg dann ein Auto.
Karoui war am 23. August, wenige Tage vor Beginn des Wahlkampfs in dem nordafrikanischen Land, wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft genommen worden. Die Vorwürfe waren allerdings schon mehrere Jahre alt. Der 56-Jährige sah folglich seine Inhaftierung politisch motiviert und forderte eine Verschiebung der Präsidentenwahl. Er habe keine Interviews geben und sein Programm nicht der Öffentlichkeit vorstellen können, argumentierte Karoui auch mit Blick auf die Stichwahl, die für kommenden Sonntag angesetzt ist.
Aus dem Gefängnis heraus auf Platz zwei
Bei der ersten Runde der Abstimmung war er mit 15,6 Prozent der Stimmen auf Platz zwei hinter dem unabhängigen Verfassungsrechtler Kais Saied gelandet, der 18,4 Prozent bekam. Das Ergebnis der beiden Außenseiter galt als herbe Niederlage für die etablierten Parteien. Viele Tunesier sind jedoch enttäuscht angesichts einer stagnierenden Wirtschaft, hoher Arbeitslosigkeit und steigender Preise im Land.
TV-Unternehmer Karoui wird wegen seiner Vermengung von Politik und Medienmacht als Tunesiens Berlusconi gesehen. Mit Geschenken für die Armen im Land forcierte er seine Beliebtheit unter den Wählern.
Bei der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag sicherte sich Karouis neugegründete Partei Qalb Tounes (Herz Tunesiens) nach vorläufigen Angaben der Wahlkommission 38 Sitze. Die als gemäßigt islamistisch geltende Partei Ennahda unter Führung von Rached al-Ghannouchi holte die meisten Stimmen. Sie gewann 52 der insgesamt 217 Mandate. Es wird mit einer schwierigen Regierungsbildung gerechnet.
se/stu (rtr, afp, dpa)