Tunesien trotzt dem IS-Terror
25. November 2015Faten Abdelkefi, die schon seit Jahren zum Festival kommt, gibt sich fatalistisch. "Wenn irgendwo geschrieben steht, dass ich in einem Kino sterbe, dann sterbe ich eben im Kino", sagt sie mit einem bitteren Lachen. "Ich habe ein bisschen Angst, aber wir müssen doch Widerstand leisten. Wenn jeder abends zu Hause bleibt und nicht mehr weggeht, dann haben die Terroristen gewonnen. Aber wir wollen nicht, dass sie gewinnen."
Filmfestival trotz Ausgangssperre
Obwohl der tunesische Präsident Beji Caid Essebsi gestern Abend den Ausnahmezustand ausgerufen und für die Hauptstadt Tunis eine nächtliche Ausgangssperre verhängt hat, wurde das Filmfestival mit mehreren Hundert internationalen Gästen, rund Tausend Vorstellungen und mehr als Hundertausend Zuschauern nicht abgesagt. "Wir müssen weiterleben und wir werden weiterleben, so wie wir es wollen", sagte Kulturministerin Latifa Lakhdar am Morgen nach dem Anschlag. Die Entscheidung, das Festival unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen weiterzuführen, um den Terroristen keinen Freifahrtschein zu erteilen, war schnell gefallen, berichtet Festivaldirektor Brahim Letaief.
Die meisten Kinos und Hotels mit Festivalgästen befinden sich in der Innenstadt von Tunis, nur wenige Meter von dem Ort entfernt, wo sich gestern die Explosion ereignete. Am später Nachmittag explodierte ein Bus, der Mitglieder der Präsidentengarde zu ihren Schichten transportierte. Der Sammelpunkt der Sicherheitskräfte befindet sich in unmittelbarer Nähe der Innen- und Tourismusministerien an einer der Haupstraßen der Innenstadt.
Zwölf Tote wurden als Angehörige der Sicherheitskräfte identifiziert. Die Behörden vermuten, dass es sich bei dem verbleibenden Toten ungeklärter Identität um den Attentäter handelt. Wie er in den Bus gelangen konnte ist noch unklar. Ersten Analysen zufolge handele es sich bei dem Sprengstoff um rund zehn Kilogramm militärischen Sprengstoffs, der als Sprenggürtel oder in einem Rucksack transportiert wurde, so das tunesische Innenministerium. In seiner Erklärung spricht der IS von einem Sprenggürtel.
Angeschlagener Präsident
In Tunesien kam es in der jüngsten Vergangenheit vermehrt zu Angriffen sowohl auf Zivilsten als auch auf Sicherheitskräfte. Bei Anschlägen auf das Bardo-Museum (März 2015) und ein Hotel in Sousse (Juni 2015) wurden mehr als sechzig Touristen getötet. Während sich der sogenannte Islamische Staat zu diesen Attentaten bekannt hatte, gingen die meisten Angriffe auf Sicherheitskräfte auf das Konto der sogenannten Okba Ibn Nafaa-Brigade, einer tunesischen Terrorgruppe die Al-Kaida im islamischen Maghreb angehört.
Tunesiens Präsident Beji Caid Essebsi trat am Abend des Anschlags sichtlich angeschlagen vor die Presse. Die Terroristen wollten "Angst und Schrecken verbreiten, doch am Ende werden sie es sein, die Angst haben", sagte er und versicherte, mit aller nötigen Schärfe gegen den Terrorismus vorzugehen. Seit Mittwoch Vormittag tagt im Präsidentenpalast der Nationale Sicherheitsrat, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Während der Ausnahmezustand zunächst für einen Monat verhängt wurde, gilt die Ausgangssperre auf unbestimmte Zeit.
Während seine Partei Nidaa Tounes seit Wochen von Flügelkämpfen zerrüttet wird, leidet auch das Ansehen des Präsidenten zunehmend unter den Sicherheitsproblemen. Seit seinem Amtsantritt vor nicht mal einem Jahr passierten in Tunesien drei der schlimmsten Anschläge seit mehr als zehn Jahren. Dass nun ausgerechnet die als Eliteeinheit gesehene Präsidentengarde Ziel eines Anschlags wird, wirft Fragen auf, wie gut die tunesischen Sicherheitskräfte und Geheimdienste wirklich in der Lage sind, das Land vor weiteren Anschlägen zu schützen.