Tuareg-Konflikt flammt wieder auf
18. August 2015Neue Gewalt im Norden Malis: Erst vor wenigen Tagen hatten Islamisten Anschläge auf malische Soldaten verübt und zahlreiche Geiseln in einem Hotel genommen. Jetzt scheint auch der brüchige Frieden zwischen rivalisierenden Tuareg-Rebellengruppen vorbei. In der Region Kidal kam es nach Angaben eines Rebellensprechers am Montag (17.08.2015) an drei Orten zu Zusammenstößen zwischen der "Tuareg-Selbstverteidigungsgruppe Imghad und Verbündete" (Gatia) und der "Koordinierung der Azawad-Bewegungen" (CMA). Etwa 20 Menschen sollen dabei getötet worden sein. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Gewalt provoziert zu haben.
Die UN-Mission im Land, MINUSMA, verurteilte die Zusammenstöße als "krassen Verstoß" gegen das jüngst geschlossene Friedensabkommen. Nachdem die Verhandlungen mehrfach gescheitert waren, hatten die malische Regierung, internationale Vermittler und einige bewaffnete Gruppen am 15. Mai 2015 den Vertrag in der Hauptstadt Bamako unterzeichnet. Gut einen Monat später schloss sich schließlich auch die CMA als wichtigster Gegenspieler der Vereinbarung an. Das Papier sieht einerseits eine Anerkennung der Regierung in Bamako, andererseits mehr Rechte für den Norden des Landes vor. Den Konfliktparteien werden bestimmte Gebiete zugewiesen, die sie - jedenfalls bewaffnet - nicht verlassen dürfen.
Historische Wurzeln, neue Allianzen
Die Gatia wird als regierungsfreundliche Tuareg-Gruppe bezeichnet. Aber auch wenn sie auf die malische Regierung als Verbündeten setzt, verfolgt sie ihre eigene, lokale Agenda. So soll sie bei den jüngsten Zusammenstößen in das Gebiet der CMA eingedrungen sein. Ein Grund dafür könnte der Drogenschmuggel durch die Wüste Richtung Europa sein, eine wichtige Einkommensquelle beider Gruppen. Viele Straßen sind durch die momentane Regenzeit unpassierbar geworden. Wer die Kontrolle über die verbleibenden Routen hat, der beherrscht auch den Schmuggel.
Der Konflikt zwischen den beiden Tuareg-Gruppen bestehe bereits seit Jahrzehnten, sagt Georg Klute, Professor für Ethnologie an der Universität Bayreuth. Die Namen der Gruppen und die Allianzen seien andere gewesen - damals kämpfte der heutige Gatia-Anführer noch gegen die Regierung. Im Mali-Krieg von 2012 schlossen sich dann Tuareg-Rebellen der heutigen CMA, die für einen unabhängigen Staat mit dem Namen Azawad in Nordmali kämpften, für einige Monate mit den Islamisten der Ansar Dine zusammen und eroberten große Teile des Nordens. Erst eine französische Militäroffensive konnte 2013 den Vormarsch stoppen.
Umstrittene Sicherheitszone
Die Region Kidal im Norden Malis gehört traditionell zum Einflussgebiet der CMA. Nach der jüngsten Gewalt habe sich dort Panik breit gemacht, die Gatia könnte als nächstes die gleichnamige Stadt einnehmen und Rache für frühere Zusammenstöße üben, berichtet Klute, der selbst einige Zeit in Kidal gelebt hat und in engem Kontakt mit Bewohnern der Region steht.
Die UN haben nach der jüngsten Gewalt eine "Sicherheitszone" eingerichtet: Seit Dienstagmorgen darf auf unbestimmte Zeit kein Anhänger regierungstreuer Milizen einen Fuß in die Bannmeile von 20 Kilometern rund um Kidal setzen. Bei Verstößen würde die MINUSMA "entsprechend ihres Mandats" reagieren, hieß es.
Der Ethnologe Georg Klute begrüßt diesen Schritt: "Es ist richtig gewesen, ein deutliches Zeichen an die Gatia zu senden: Bis hier hin und nicht weiter." Vertreter der malischen Regierung sehen das skeptisch: "Die MINUSMA muss uns diesen Schritt noch erklären", sagte Malis Versöhnungsminister Zahabi Ould Sidi Mohamed im Gespräch mit der DW. "Was ist das Konzept dahinter? Meiner Meinung nach sollte eine Sicherheitszone nicht nur für eine bestimmte Gruppe gelten."
Auch Vertreter der CMA halten wenig von der Intervention der MINUSMA: Die Kämpfe hätten nicht einmal innerhalb dieser Zone stattgefunden, sondern 120 Kilometer von Kidal entfernt, sagte CMA-Sprecher Attaher Ag Mohamed der DW. "Wir sind nicht in der Position, um Schutz zu bitten. Unsere Truppen sind unversehrt." Ihre Gebiete könne die Gruppe selbst verteidigen. "Das wichtigste für uns ist, dass die MINUSMA und die ganze Welt erkennen, dass die Regierung und ihre verbündeten Milizen den Friedensvertrag verletzt haben."
Friedensgespräche abgesagt
Die malische Regierung hat die neue Gewalt verurteilt. Mit Schuldzuweisungen hält sie sich aber zurück, will auf den Bericht der eingesetzten UN-Untersuchungskommission warten. Den Friedensprozess sieht Versöhnungsminister Ould Sidi Mohamed nicht in Gefahr: "Unglückliche Vorfälle wie dieser passieren eben. Man sollte sie nicht überbewerten. Der Friedensprozess muss weitergehen."
Ein für diese Woche geplantes Treffen der verfeindeten Gruppen in Nigers Hauptstadt Niamey wurde inzwischen abgesagt, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Grund dafür seien die jüngsten Zusammenstöße. Es sollten Friedensgespräche werden.