Tschechischer Ex-Premier wechselt zu Europas Rechtsextremen
24. Juli 2024Bisher gehörte Tschechiens größte Parlamentspartei, die derzeit oppositionelle ANO-Bewegung des Milliardärs und Ex-Premiers Andrej Babis, nominell zu den Liberalen in Europa. Im Europäischen Parlament war sie Mitglied der liberalen Fraktion Renew Europe - obwohl Babis seit Jahren vor allem mit Stammtisch-Sprüchen gegen Migranten auffällt und viele Beobachter ANO als rechtspopulistische Kraft einstufen.
Nun änderte Babis auch formal seinen Kurs - noch vor der ersten Sitzung des neuen Europäischen Parlaments schloss sich ANO der neu gegründeten EU-skeptischen Rechtsaußen-Fraktion "Patrioten für Europa" an. Ihre Gründung hatte Babis selbst mit ausgerufen - Ende Juni 2024 in Wien zusammen mit dem ungarischen Premier Viktor Orban und dem Chef der rechtsextremen österreichischen FPÖ, Herbert Kickl. Inzwischen sind die "Patrioten für Europa" die drittstärkste Fraktion im Europaparlament.
Lange Zeit hatten Babis und ANO nur bedingt mit Rechtspopulisten und Rechtsextremen zu tun. Während seiner Regierungszeit 2017 bis 2021 als Premier fiel Babis eher mit Kritik an der mangelnden Effizienz der EU auf, weniger durch Positionen wie beispielsweise die Orbans. In der ANO gab es so manche Politiker, die für klassischen politischen Liberalismus und rechtsliberale Wirtschaftspolitik standen.
Alleingang
Doch seit einigen Jahren rückt Babis selbst politisch immer weiter nach Rechtsaußen. Der Beitritt zu den "Patrioten für Europa" ist das vorläufige Ende dieses Schwenks - und laut Beobachtern in Tschechien eine einsame Entscheidung von Babis. "Er hat das offensichtlich allein entschieden, ohne das Wissen seiner Abgeordneten", so der Brünner Politikwissenschaftler Stanislav Balik gegenüber der DW.
Bei seinem Treffen mit Orban und Kickl Ende Juni in Wien schlug Babis ähnliche Töne an wie seine beiden Verbündeten: "Wir werden die europäische Politik so verändern, dass sie wieder den Nationen und unserem Volk dient", sagte er. "Wir werden die nationale Souveränität über den Föderalismus, die Freiheit über die Befehle und den Frieden über den Krieg stellen."
Zahlreiche Affären
Es ist ein kurvenreicher politischer Weg, den Babis bis hierher zurückgelegt hat. Ursprünglich war er in Tschechien nur als einer der reichsten Männer des Landes bekannt. Der gebürtige Slowake wurde mit seiner Agrofert-Holding zum Milliardär, zu ihr gehören Firmen im Agrar-, Lebensmittel- und Chemiebereich. 2011 stieg Babis mit seiner Protestbewegung ANO (Aktion unzufriedener Bürger) in die Politik ein. Obwohl Babis selbst zum Establishment gehört, gibt er sich den Anstrich eines Kämpfers gegen das Establishment und für die Interessen der kleinen Leute. Deshalb wird er bisweilen als tschechischer Trump tituliert.
In den vergangenen Jahren fiel er durch zahlreiche Affären auf. So etwa übergab er seine Agrofert-Holding vor Jahren einer Treuhand-Gesellschaft, um als Politiker dem Vorwurf von Interessenkonflikten zu entgehen. Faktisch behielt er die Kontrolle über das Management der Holding. Vom Verdacht des Betrugs mit EU-Subventionen wurde er nach jahrelangen Prozessen jedoch freigesprochen. Nicht freigesprochen wurde er vom Vorwurf, einst Agent der tschechoslowakischen Staatssicherheit gewesen zu sein.
Intensivierte rechte Rhetorik
Parallel zum Wirbel um seine Affären intensivierte Babis auch seine rechte Rhetorik. Vor allem hetzte er in den vergangenen Jahren zunehmend gegen Migranten, obwohl er zumindest zeitweise selbst illegal eingereiste Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern beschäftigte. Vor wenigen Wochen forderte er im tschechischen Parlament, dass man zur Lösung der Migrationskrise in Europa "bewaffnete Truppen an südeuropäischen Stränden aufstellen" solle.
Die Mitgliedschaft bei den Patrioten macht Babis nun den Weg frei für uneingeschränkte demagogische Kritik an der Europäischen Union. Beobachter befürchten, dass diese Politik in der Tschechischen Republik zu einem Anstieg der Anti-EU-Stimmung führen könnte, ähnlich wie in Großbritannien vor dem Austritt aus der EU. Laut einer im April 2024 durchgeführten Umfrage der Agentur STEM sind nur 51 Prozent der Tschechen mit der EU-Mitgliedschaft des Landes zufrieden.
"Babis ist braun geworden"
Die ANO-Bewegung sieht in ihrem Beitritt zu den Patrioten für Europa jedoch keine Vorbereitung auf einen Austritt Tschechiens aus der Europäischen Union. "Wir sind nicht destruktiv in dem Sinne, dass wir Europa auflösen wollen", sagte der stellvertretende ANO-Vorsitzende Karel Havlicek kürzlich gegenüber tschechischen Medien.
Vertreter der tschechischen Regierung kritisierten den Beitritt der ANO zu den Patrioten für Europa indessen scharf. "Nennen wir das Kind beim Namen", schrieb Ministerpräsident Petr Fiala auf X. "Die Patrioten für Europa dienen den Interessen Russlands. Ob bewusst oder unbewusst. Und damit bedrohen sie die Sicherheit und Freiheit Europas."
Durch ihre Mitgliedschaft bei den Patrioten für Europa sei ANO in den rechtsextremen Bereich gerückt, kritisiert seinerseits Ivan Bartos, stellvertretender Ministerpräsident und Chef der Piratenpartei auf X. "Andrej Babis ist braun geworden. Er schaut zu Orban auf und hat sich mit nationalistischen Parteien aus anderen europäischen Ländern zusammengetan."
Weder extrem rechts, noch extrem links
Stanislav Balik sieht im europapolitischen Kurswechsel von Babis in erster Linie ein innenpolitisches Ziel. Er werbe damit um die Stimmen der Wähler der extremen Rechten. "Er hat beschlossen, die nationalistische, sogenannte patriotische Szene an sich zu ziehen. Um dies zu erreichen, ist die Betonung seiner Freundschaft mit Viktor Orban sehr hilfreich", sagte er der DW.
Gleichzeitig glaubt Balik aber nicht, dass ein Beitritt zu den Patrioten eine klare Verschiebung der ANO nach extrem rechts bedeute. "Sie ist weder extrem rechts noch extrem links. Die ANO-Bewegung holt sich die Wähler dort ab, wo sie kann", so der Politologe.