Tschechien sucht Ausweg aus politischer Krise
6. April 2018Nach dem überraschenden Abbruch der Koalitionsgespräche zwischen Sozialdemokraten und populistischer ANO-Partei ist ein Ende der politischen Krise in Tschechien nicht in Sicht. "Eine Möglichkeit sind vorgezogene Wahlen", sagte der ANO-Gründer und geschäftsführende Regierungschef Andrej Babis der Zeitung "Pravo". Staatspräsident Milos Zeman hatte Neuwahlen indes wiederholt abgelehnt. Für die Selbstauflösung des Parlaments wären die Stimmen von 120 der 200 Abgeordneten erforderlich, was als hohe Hürde gilt.
Der Parteivorsitzende der sozialdemokratischen CSSD, Jan Hamacek, hatte am Donnerstag erklärt, dass seine Partei in der Opposition bleibe. Entscheidender Streitpunkt war demnach, dass gegen Babis wegen mutmaßlichen EU-Subventionsbetrugs strafrechtlich ermittelt wird. Als Sicherheit für unabhängige Ermittlungen hatte die CSSD das Innenministerium gefordert, war damit aber gescheitert.
Schwenk nach rechts?
"Diese Obsession mit dem Innenministerium verstehe ich nicht", sagte Babis. Nach Einschätzung von Beobachtern könnte sich der ANO-Gründer und Multimilliardär nun erneut der rechtspopulistischen Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) unter Tomio Okamura zuwenden. Davor sei Babis bisher aus Rücksichtnahme auf sein Image im Ausland zurückgeschreckt, sagte der Politologe Stanislav Balik im tschechischen Fernsehen.
Babis will mit Präsident Zeman über das weitere Vorgehen beraten. Das Verhältnis beider Politiker gilt als eng. Sowohl Zeman wie auch Babis hatten sich mehrfach mit herabsetzenden Äußerungen über Journalisten zu Wort gemeldet. Der Staatschef hatte im Januar eine zweite fünfjährige Amtszeit begonnen. Die ANO-Partei von Babis war bei der Parlamentswahl im Oktober mit 29,6 Prozent stärkste Kraft geworden. Der Ministerpräsident führte fortan eine Minderheitsregierung. Seit der verlorenen Vertrauensabstimmung vom Januar ist er aber nur noch geschäftsführend im Amt.
jj/sti (dpa, ap, rtr)