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Tschad will Öldollars zweckentfremden

Rafael Heiling4. Januar 2006

Der Tschad will eine Vereinbarung mit der Weltbank brechen. Denn statt seine Erdöl-Erlöse wie geplant gegen die Armut einzusetzen, möchte das Land sie anderswo ausgeben. Damit steht ein Vorzeigeprojekt vor dem Scheitern.

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Beamtenlöhne statt BildungBild: AP

Streitpunkt ist das "Gesetz 001", das der Tschad und die Weltbank 1999 ausgehandelt hatten. Es sollte eigentlich dafür sorgen, dass der afrikanische Staat das Geld aus seinen Erdöl-Verkäufen zum Wohle des Landes einsetzt. Und zwar nach einem genauen Schlüssel: 80 Prozent müssen für Bereiche wie Bildung, Gesundheit und Infrastruktur ausgegeben werden; zehn Prozent fließen als Vorrat für künftige Generationen auf ein Treuhandkonto in London. Weitere fünf Prozent sollen der Ölregion selber (nämlich dem Doba-Bassin) zugute kommen - und der Rest steht zur freien Verfügung. Im Gegenzug gab die Weltbank mehr als 480 Millionen Dollar Zuschuss für eine Pipeline vom Tschad bis an die Küste Kameruns.

Erspartes für Beamte und Sicherheitskräfte

Doch jetzt hat das tschadische Parlament beschlossen, das "Gesetz 001" eigenmächtig zu ändern, auf Anregung von Präsident Idriss Deby. Der Zukunftstopf (immerhin 36 Millionen Dollar) soll geleert werden - offiziell, um ausstehende Beamtengehälter zu bezahlen. Und von den besagten 80 Prozent sollen auch Mittel in die Bereiche Sicherheit und Justiz fließen dürfen. Der tschadische Präsident muss das allerdings noch absegnen.

Tschad Ölförderung Präsident Idiss Deby
Der Präsident des Tschad, Idriss Deby, muss sich gegen Rebellenangriffe behaupten - er will mehr Geld für die SicherheitBild: AP

"Die Regierung wollte sich dem Geist dieses Gesetzes nie richtig unterordnen", erklärt Dr. Matthias Basedau vom Institut für Afrika-Kunde in Hamburg. "Sie hat nationale Überwachungsgremien nur halbherzig unterstützt und gleich klar gemacht, dass neu entdeckte Ölfelder nicht unter das Gesetz fallen sollen." Hinzu kommt, dass der Tschad von der Organisation Transparency International 2005 zu den korruptesten Staaten der Welt gezählt wurde.

Vertragsbruch soll Frieden sichern

Allerdings, sagt Basedau, sei das Aufbegehren keine reine Bosheit des Tschad: "Die Neuverteilung ist der Versuch eines stark bedrängten Regimes, sich freizuschaufeln." Denn ehemalige Soldaten und Offiziere würden offen gegen Deby rebellieren, der geschwächte Präsident habe bereits seine Garde ausgetauscht - und nun wolle der Staat wohl seine Armee und Sicherheitskräfte aufrüsten.

Hinzu kommt Ärger mit dem Sudan. Die Aufständischen sollen oft von dort aus operieren, deshalb hat der Tschad seinem Nachbarn "Feindseligkeit" vorgeworfen. Der Sudan wies das zurück.

Prestige-Projekt in Gefahr

Wird die Gesetzesänderung tatsächlich beschlossen, dann wäre ein Modellprojekt der Weltbank am Ende - schließlich wurde das "Gesetz 001" als richtungsweisende Lösung gefeiert. Weltbankpräsident Paul Wolfowitz meldete sich dazu gleich selbst zu Wort, und zwar ungewöhnlich deutlich. Er warf dem Staat Vertragsbruch vor und drohte Sanktionen an.

Möglich wäre zum Beispiel, dem Tschad keine weiteren Kredite mehr zu gewähren oder bereits geliehenes Geld schneller zurückzufordern. Aber Jann Lay, Experte für Armutsbekämpfung beim Kieler Institut für Weltwirtschaft, ist sich nicht sicher, ob das helfen würde; immerhin steht Deby mit dem Rücken zur Wand.

Trotz allem: gute Idee

Kampf gegen Wüstenbildung
Im Tschad gibt es bisher keine nachhaltige Wirtschaft - mit Erdöl-Geld könnte man ihr auf die Sprünge helfenBild: Tania Krämer

Wenn es schlecht läuft, könnte der Tschad neben Angola und Nigeria ein weiteres Beispiel dafür werden, dass Entwicklungsländer trotz des reichen Erdölsegens meistens arm bleiben. "Man müsste die Einnahmen zur gezielten Entwicklung der Wirtschaft verwenden", sagt Lay. Aber niemand kenne den Königsweg zum Wohlstand: "Entwicklung am Reißbrett hat bisher nie funktioniert."

Lay hält die Idee des "Gesetzes 001" trotz allem für einen guten Ansatz - "zumindest, würde es befolgt": Ein nationales Kontrollgremium, je zur Hälfte mit Mitgliedern von Regierung und Zivilgesellschaft besetzt, entscheidet über die Verwendung von Geld, das auf einem Treuhandkonto liegt. Zusätzlich wird ein internationales Überwachungsgremium eingerichtet. Auch Basedau resümiert: "Das System sieht auf dem Papier nicht schlecht aus."