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Trügerische Ruhe in der Ukraine

Frank Hofmann, Kiew 26. April 2015

Brüssel will die Beziehungen zu Kiew konsolidieren und Reformen vorantreiben. Doch der Konflikt in der Ostukraine wird auch diesen EU-Ukraine-Gipfel bestimmen. Der Waffenstillstand wackelt. Aus Kiew Frank Hofmann.

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Frühlingstag in Kiew (Foto: imago)
Bild: imago/newspix

Die Kiewer lieben den Spaziergang über die gesperrte achtspurige Hauptverbindungsstraße Krschchatyk vorbei am monumentalen Rathaus der Stadt, wo der Ex-Boxer und Bürgermeister Vitali Klitschko residiert. Jedes Wochenende sperrt der europäischste aller politischen Führer der Maidan-Revolution die Autos für die Fußgänger aus. Hier freuen sich die Menschen über den Frühling bei 20 Grad und blauem Himmel. Europablau. Es könnte vorangehen für die Ukraine auf ihrem Weg nach Westen.

Doch zum Besuch der Spitzen der Europäischen Union diese Woche in Kiew täuscht diese Stimmung. Denn in der Ostukraine wackelt der Mitte Februar vereinbarte Waffenstillstand so sehr wie lange nicht. Bei einem Truppenbesuch am Wochenende deutete Präsident Petro Poroschenko an, dass eine militärische Lösung zur Befreiung der von prorussischen Separatisten besetzten Gebiete im Osten des Landes auf dem Tisch bleibt. Gleichzeitig machen die Rebellen vor allem in ihrer Hochburg Donezk so deutlich wie selten klar, dass sie weiterhin den ganzen Donbass für sich beanspruchen. Derzeit kontrollieren sie 40 Prozent der Region.

Brüssel will konsolidieren

EU-Ratspräsident Donald Tusk, Kommissionschef Jean-Claude Juncker und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wollen bei dem ersten Gipfeltreffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko seit der Unterzeichnung des EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens im Juni 2014 "eine starke Botschaft der Partnerschaft zwischen der EU und der Ukraine aussenden", sagt ein EU-Sprecher. Man wolle die "fortlaufende Kooperation konsolidieren". Auch um Geld soll es gehen. Die Europäer wollen den Wiederaufbau im Osten der Ukraine unterstützen. Dort sind die Straßen auch in den von der ukrainischen Armee gehaltenen Gebieten des Donbass schwer beschädigt - durch Granatenbeschuss und Kolonnen von Militärtransporten gleichermaßen.

Kiew im Frühling: Junge Leute in der Innenstadt (Foto: DW/Hofmann)
Jugendliche genießen den Frühling in Kiew: Doch die gute Stimmung trügtBild: DW/F. Hofmann

Investorenkonferenz ohne Investoren

Eine deutsche Firma, die in der Region Luhansk Baumaterial herstellt, verschickt ihre Waren seit kurzem auf der Schiene - wegen der Zerstörungen, aber auch “weil immer wieder ganze Lastwagen-Ladungen verschwinden", sagt ein Industrieverteter in der Hauptstadt Kiew. Nach dem Besuch der EU-Spitzenpolitiker am Montag soll am Dienstag eine Investorenkonferenz die Manager beruhigen. Doch viele haben ihr Kommen offenbar abgesagt. Auch die Spitzen der deutschen Industrieverbände. Denn aus dem Einladungsschreiben sei nicht klar ersichtlich gewesen, "wer da überhaupt genau einlädt". Der Weg der Kiewer Führung aus der Krise bleibt holprig, soll das heißen. Kiew hat sich gegenüber der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einem strammen Reformprogramm verpflichtet. Im Gegenzug hat der IWF für das laufende Jahr fünf Milliarden US-Dollar freigegeben. Deutschland will die Ukraine mit 500 Millionen Euro unterstützen. Die Hilfen haben den freien Fall der Währung Griwna zunächst gestoppt. Doch ob das so bleibt, hängt vor allem von der Entwicklung in der Ost-Ukraine ab.

Friedensplan für Schyrokyne

Dort zog vergangenen Freitag der Vizechef der OSZE-Beobachtermission eine negative Bilanz seiner Bemühungen in dem kleinen Ort Schyrokyne östlich der unter ukrainischer Kontrolle stehenden Industriemetropole Mariupol am Asowschen Meer. Seit Wochen versucht Alexander Hug, die prorussischen Rebellen und Kiew-treue Soldaten voneinander zu trennen, die hier an einigen Stellen nur 500 Meter voneinander entfernt sind. Fast täglich kommt es in dem Ort zu Gefechten, während die internationalen Beobachter immer wieder behindert werden.

Eine alte Frau in Schyrokyne, Ukraine (Foto: DW/Hofmann)
In Schyrokyne leiden die verbliebenen Einwohner unter den anhaltenden GefechtenBild: Evgeniy Maloletka

Jetzt liegt ein eigener Friedensplan für den kleinen Ort auf dem Tisch. Der sieht vor, dass sich "alle kämpfenden Einheiten aus Schyrokyne so weit zurückziehen, dass beide Seiten nicht mehr gegeneinander kämpfen können", sagt Hug. Die Umsetzung hängt von beiden Seiten ab. Und wird am Ende wohl auch die Gipfelgespräche zwischen Brüssel und Kiew bestimmen.

Der Krieg bestimmt die Agenda

Kaum einer mag daran glauben, dass viel mehr Zeit bleibt für weitere Themen. Dabei ist die Wunschliste des ukrainischen Präsidenten lang: Bereits Mitte Februar forderte Poroschenko eine EU-Polizeitruppe unter Führung der UN in der Ostukraine. "Wir haben darüber gesprochen", sagt ein hochrangiger UN-Vertreter im New Yorker Hauptquartier, der mit der Materie vertraut ist, "mehr aber auch nicht". Zudem wünscht sich Poroschenko, dass seine Bürger künftig ohne Visum in die EU reisen können. Schon zum EU-Gipfel der östlichen Partnerschaft im lettischen Riga Ende Mai sollte es so weit sein. Auch das haben die meisten Beteiligten schon abgeschrieben. Die Rebellen in Donezk konzentrieren sich auf ein ganz anderes Datum: Am 9. Mai soll mit einer Militärparade der 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs gefeiert werden. Danach stünden die Waffen wieder zur Verfügung.