Trumps Stabschef Mulvaney ignoriert Vorladung
9. November 2019Der Stabschef im Weißen Haus, Mick Mulvaney, ist trotz einer Vorladung des US-Kongresses nicht zu einer Zeugenaussage erschienen. Er berief sich auf seine Immunität als einer der engsten Mitarbeiter von US-Präsident Donald Trump. Die Opposition hatte Mulvaney im Zuge der US-Kongressuntersuchung zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen Trump zu einer Aussage aufgefordert.
Trump selbst erklärte, er hätte es gerne gesehen, wenn sein Kabinettschef den Termin wahrgenommen hätte. "Ich glaube, er wäre sehr gut gewesen", sagte er vor Journalisten.
In der Untersuchung des von den Demokraten kontrollierten Repräsentantenhauses geht es um die Bestrebungen Trumps, die Ukraine zu von ihm gewünschten Ermittlungen gegen innenpolitische Rivalen zu drängen. Trump und sein Privatanwalt Rudy Giuliani hatten gegenüber Kiew auf Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden, dessen früher für eine ukrainische Gasfirma tätigen Sohn Hunter gedrungen. Zudem sollten die Behörden zu einer Verschwörungstheorie ermitteln, wonach sich die Ukraine vermeintlich zugunsten der US-Demokraten in die Wahl 2016 eingemischt haben soll.
Im Zuge der Ermittlungen war Mulvaney zunehmend in den Fokus geraten. Zwei hochrangige Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates sagten vor dem Kongress aus, Mulvaney habe eine wichtige Rolle gespielt bei den Bemühungen, die ukrainische Regierung zu Ermittlungen zu drängen. Beide erklärten außerdem, solche Ermittlungen seien Bedingung für einen möglichen Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus gewesen. Das geht aus den Mitschriften ihrer Zeugenanhörungen im Oktober hervor, die der Geheimdienstausschuss des US-Repräsentantenhaus nun veröffentlichte.
Gegenleistung für ein Treffen
Der Ukraine-Experte im Nationalen Sicherheitsrat, Alexander Vindman, sagte demnach aus, Mulvaney habe seines Wissens nach die Bemühungen koordiniert, Kiew zu Untersuchungen gegen die Bidens zu bringen. "Es ging darum, ein Treffen im Weißen Haus zu bekommen." Der US-Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, habe damals intern klargemacht, die Ukrainer müssten liefern, indem sie Untersuchungen zu den Bidens anstellen. Sondland habe sich dabei auf Mulvaney berufen.
Auch die frühere Chefin der Russland- und Europaabteilung des Nationalen Sicherheitsrats, Fiona Hill, sagte aus, in einem Treffen mit ukrainischen Vertretern habe Sondland den Ukrainern versprochen, ihr Präsident bekäme ein Treffen mit Trump im Weißen Haus, wenn sie die gewünschten Ermittlungen ankündigten. Dies sei so mit Mulvaney abgesprochen gewesen, zitierte Hill Sondland weiter.
"Handgranate, die uns alle in die Luft sprengen wird".
Trumps damaliger, inzwischen geschasster Nationaler Sicherheitsberater, John Bolton, habe das Treffen daraufhin abrupt beendet, weil es sich um ein "unzulässiges Arrangement" gehandelt habe, sagte Hill. Bolton habe sie dann angewiesen, den Chefjuristen des Sicherheitsrates zu informieren, dass er (Bolton) "nicht Teil des Drogendeals" sei, den Sondland und Mulvaney da schmiedeten.
Bisherigen Zeugenaussagen zufolge war Trumps persönlicher Anwalt Giuliani bei den Bemühungen gegenüber der Ukraine ebenfalls eine treibende Kraft. Bolton bezeichnete diesen laut Hill in interner Runde als "Handgranate, die uns alle in die Luft sprengen wird".
Offen ist bislang, ob auch Bolton selbst vor dem Kongress aussagen wird. Die "New York Times" berichtete am Freitag, sein Anwalt habe signalisiert, dass Bolton selbst Kenntnis von "vielen wichtigen Treffen und Unterhaltungen" in der Ukraine-Affäre habe.
Hill bezeichnete den Missbrauch einer wichtigen außenpolitischen Beziehung für innenpolitische und persönliche Zwecke als ihren "schlimmsten Albtraum". Das Telefonat im Juli zwischen Trump und Selenskyj nannte sie schockierend. In ihren Dienstjahren habe sie so etwas nie erlebt. Hill hatte ihren Posten Mitte Juli aufgegeben.
Die Demokraten haben den Verdacht, dass US-Militärhilfe als Druckmittel eingesetzt wurde, um Ermittlungen in der Ukraine zu erreichen. Vindman sagte, er habe Anfang Juli davon erfahren, dass die US-Militärhilfe für die Ukraine vorerst gestoppt worden sei. Die Anweisung dazu sei aus dem Büro des Stabschefs im Weißen Haus gekommen. Man habe ihm später gesagt, es gehe darum, sicherzustellen, dass die Hilfe im Einklang sei mit den Prioritäten der US-Regierung. Vindman betonte, die 400 Millionen US-Dollar an Militärhilfe seien für die Ukraine von großer Bedeutung gewesen. Die Summe stelle etwa zehn Prozent des gesamten Militärhaushalts in dem Land dar. Die Militärhilfe der Amerikaner floss am Ende an Kiew.
Mulvaney selbst hatte Mitte Oktober in einer Pressekonferenz eingeräumt, dass das Zurückhalten der Militärhilfe als Druckmittel gedacht gewesen sei. Die Ukraine habe so zu der Suche nach einem vermeintlich in dem Land versteckten Server der US-Demokraten gebracht werden sollen, sagte er. Später versuchte Mulvaney verzweifelt, diese Aussage zu bestreiten und sprach von einer absichtlichen Fehlinterpretation seiner Worte durch die Medien. Mulvaneys Äußerungen waren jedoch völlig klar und unmissverständlich gewesen.
Mit der derzeitigen Ukraine-Untersuchung wollen die Demokraten den Weg für eine formelle Anklageerhebung gegen Trump durch das Repräsentantenhaus - das sogenannte Impeachment - bereiten. Das anschließende Amtsenthebungsverfahren würde dann aber im Senat, also der anderen Kongresskammer, stattfinden. Da dort Trumps Republikaner dominieren, gilt eine Absetzung des US-Präsidenten als unwahrscheinlich.
stu/mak (dpa, afp)