Trumps Nahost-Puzzle
3. April 2017Ein gutes Vierteljahrhundert hatten sie nicht mehr miteinander kommuniziert. Doch dann, zu Beginn dieses Jahres, redeten sie wieder miteinander, und zwar in den freundlichsten Worten. Sein Land wünsche sich "exzellente Beziehungen" zu seinem irakischen Nachbarn, erklärte der saudische Außenminister Adel al-Jubeir, als er im Februar in Bagdad von Premierminister Haider al-Abadi empfangen wurde. Die Vision: Saudi-Arabien und Irak seine "brüderliche Länder", die "viele Interessen miteinander teilten." Auch Abadi erklärte, er wünsche sich gute Beziehungen zum saudischen-Königreich. Versöhnliche Worte zweier Politiker, deren beider Staaten über 25 Jahre, seit dem Einfall Iraks in Kuweit im Jahr 1990, keinerlei diplomatische Beziehungen zueinander unterhielten. Aus Protest gegen den Angriff hatte Saudi-Arabien damals seine Botschaft in Bagdad geräumt.
Die Fäden für dieses Treffen, vermuten Beobachter, wurden in Washington gezogen, und zwar nach der Wahl Donald Trumps ins amerikanische Präsidentenamt. "Die US-Administration drängt ihre Verbündeten, ihre Differenzen in wenig bedeutsamen Fragen zu überwinden", zitiert die ägyptische Zeitung Al-Ahram Weekly einen namentlich nicht genannten arabischen Diplomaten. So solle eine arabisch-muslimische Allianz geschaffen werden, der sich auch Israel und die Türkei anschließen könnten. Deren Ziel: "Denjenigen militanten Gruppen entgegenzutreten, die die USA als größte Bedrohung in der Region wahrnehmen." Gemeint sind dschihadistische Gruppen wie der "ISlamische Staat" (IS).
Zugleich, heißt es in dem Online-Magazin Al-Monitor, versuche Washington eine Allianz gegenüber Iran zu schmieden. Diesen hatte der neue US-amerikanische Verteidigungsminister James Mattis als "größten Terrorsponsor in der Welt bezeichnet". Wenige Tage bevor al-Jubeir Bagdad besuchte, hielt sich Mattis in der irakischen Hauptstadt auf.
Trump und al-Sisi
Wenn diese Woche der ägyptische Premierminister Abdel Fatah al-Sisi in Washington von US-Präsident Trump empfangen wird, dürften sie über eine ganze Reihe von Themen sprechen, ganz wesentlich auch darüber, wie Amerika Ägypten militärisch und ökonomisch unterstützen könnte. Nach Jahren zäher wirtschaftlicher Stagnation, verschärft durch einen erheblichen Rückgang des Tourismus wie auch den anhaltenden Kampf gegen Dschihadisten auf dem Sinai ebenso wie an der Grenze zu Libyen, ist Ägypten ökonomisch wie militärisch erschöpft.
Im Gegenzug für entsprechende Unterstützung könnte Trump von Ägypten verlangen, sich wieder stärker an das sunnitische Lager zu binden. Zwar hat Ägypten gute bis sehr gute Beziehungen zu seinen sunnitischen Partnern. Doch anders als diese hat es sich nicht explizit für den Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Asad ausgesprochen. In dieser Position ist es sich mit Iran einig – und ebenso dessen größtem Partner, Russland.
Werben um Ägypten
Diese Verbindung will die neue US-Administration offenbar lösen. Ägypten, ein Land mit 87 Millionen Einwohnern und einer der bedeutendsten sunnitischen Hochschulen, der Azhar-Universität, genießt ungeachtet seiner ökonomischen Schwächen hohes Ansehen in der sunnitischen Welt. Träte es vorbehaltlos dem sunnitischen Bündnis bei, dem die USA gerade neuen Schwung zu verleihen suchen, würde das dessen politisches Gewicht maßgeblich erhöhen – zugleich aber auch die repressiven oder zumindest Tendenzen, durch die sich die meisten sunnitischen Staaten derzeit auszeichnen.
"Er hat Ägypten wieder unter Kontrolle" gebracht, lobte Trump den ägyptischen Präsidenten im vergangenen Herbst. "Er kontrolliert es wirklich", lobte der damalige Präsidentschaftskandidat den repressiven innenpolitischen Kurs al-Sisis.
In der Tradition Obamas
Soweit sie erkennbar sei, schreibt der Politologe Marc Lynch in dem Internetmagazin "War on the Rocks", unterscheide sich die Nahostpolitik Trumps nicht allzu sehr von der seines Vorgängers Barack Obama. Der habe den Sturz des islamistischen ägyptischen Präsidenten Mohamed al-Mursi zwar kritisiert, die – auch militärische - Zusammenarbeit mit Ägypten allerdings fortgesetzt. Selbst die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) bekämpfe Trump mit den gleichen Mitteln wie sein Vorgänger.
Allerdings hat Trump für den Krieg im Jemen die militärischen Befehlsketten verkürzt. Entscheidet sich das Pentagon dort als "terroristisch" definierte Ziele anzugreifen, muss es die Angriffe fortan nicht mehr durch den Präsidenten autorisieren lassen. Ähnliche Schritte, berichtet der Nachrichtensender CNN, würden derzeit auch mit Blick auf Libyen und Somalia erörtert.
Trumps riskante Rhetorik
In einem aber unterscheide sich Trump von Obama, schreibt Lynch, nämlich in seinem Ton. "Trumps Äußerungen über Muslime, den Islam und Flüchtlinge waren in jeder Hinsicht schockierend und werden Amerikas Verhältnis zu den Muslimen weltweit Schaden zufügen." Ähnlich sieht es auch der Analyst Wael Eskander: "Die Gefahr, die von Trump ausgeht, liegt weniger in seinen Handlungen als in seiner Rhetorik und der Wirkung, die sie auf manche Menschen ausübt."
Trumps arabische Partner geben sich Mühe, diese Rhetorik zu überhören. Noch gelingt es ihnen - auch darum, weil der Ernst der Lage Diskussionen über Stilfragen aus ihrer Sicht offenbar nicht zulässt. Einstweilen noch schließt der gemeinsame Feind die amerikanisch-arabischen Herrscherreihen.