Trump und seine Drohung gegen die WHO
15. April 2020Warum droht Präsident Trump der WHO den US-Mitgliedsbeitrag zu entziehen?
US-Medien glauben mehrheitlich, dass der Präsident von eigenem Versagen beim Umgang mit der Corona-Epidemie ablenken will - er hat von Februar bis Mitte März die Gefahren geleugnet - und dass Donald Trump deshalb mit China einen neuen außenpolitischen Feind sucht. Eine Rolle kann dabei auch seine generelle Abneigung gegen Multilateralismus und internationale Organisationen spielen.
Trump hat bereits früher damit gedroht, den Mitgliedsbeitrag der USA für die Vereinten Nationen nicht zu zahlen und die NATO zu verlassen. Darüber hinaus mutmaßt das "Wallstreet Journal", gebe es in der Trump-Regierung den anhaltenden Versuch, die Anzahl von amerikanischen Beschäftigten in den Internationalen Organisationen zu erhöhen, für die die USA Beiträge leisten würden.
Wie sehen die Reaktionen auf Donald Trumps Drohung aus?
Die weltweite Kritik ist scharf. Der frühere britische Premier Gordon Brown, der eine Art Weltregierung für den Kampf gegen das Coronavirus fordert, sagte dazu der Deutschen Welle: "Am 26. März hat Donald Trump nach dem Treffen der G20 ein Kommuniqé mit unterschrieben, wonach das Mandat der WHO gestärkt, die Finanzierung für Katastrophenreaktion erhöht, mehr Geld zur Entwicklung eines neuen Impfstoffs und für die Probleme der Entwicklungsländer bereitgestellt werden solle. Das ist kein logischer Schritt des Präsidenten. Das ist ein Akt der Selbstzerstörung. Denn wenn wir uns lokal in Deutschland oder in den USA schützen wollen, dann müssen wir global handeln". Wenn man jetzt gerade die afrikanischen Länder mit ihren unterentwickelten Gesundheitssystemen allein lassen würde, so Brown, drohe das Virus in einer zweiten oder dritten Welle zurückzukommen.
Bill Gates, einer der größten privaten Geber der WHO, schreibt auf Twitter: "Während einer weltweiten Gesundheitskrise die Finanzierung für die Weltgesundheitsorganisation zu stoppen, ist so gefährlich wie es klingt. Ihre Arbeit verlangsamt die Ausbreitung von COVID-19 und wenn diese Arbeit aufhört, kann keine andere Organisation sie ersetzen. Die Welt braucht die WHO mehr denn je."
Ähnlich scharfe Reaktionen kommen von Mediziner- und Forschungsorganisationen weltweit. Und EU-Chefdiplomat Josep Borrell schreibt auf Twitter: "Wir bedauern die Entscheidung der USA zutiefst, die Finanzierung der WHO zu stoppen. Es gibt dafür keine Rechtfertigung, wo ihre Arbeit mehr gebraucht wird denn je". Und der deutsche Außenminister Heiko Maas vertritt die Ansicht, dass Schuldzuweisungen nicht helfen: "Eine der besten Investitionen ist es, die Vereinten Nationen, allen voran die unterfinanzierte WHO zu stärken, zum Beispiel bei der Entwicklung und Verteilung von Tests und Impfstoffen."
Muss die WHO wegen der US-Drohung die Arbeit einstellen?
Es ist unwahrscheinlich, dass die Drohung der USA eine unmittelbare Auswirkung auf die Arbeit der WHO hat. Zumindest der Mitgliedsbeitrag der Teilnehmerländer wird jeweils zum 1. Januar eines Jahres fällig, müsste also bereits bezahlt sein. Wie das bei den freiwilligen Beiträgen für 2020 aussieht, ist unklar. Angesichts der nach internationalen Maßstäben überschaubaren Summen müsste es jedoch möglich sein, durch eine Nothilfe-Aktion privater und staatlicher Spender, eine zu erwartende Lücke angesichts der Corona-Krise vorübergehend zu schließen.
Wie wird die WHO finanziert?
Die Weltgesundheitsorganisation finanziert sich aus Pflichtbeiträgen der Mitgliedsländer, die nach Wirtschaftsleistung berechnet werden, freiwilligen Beiträgen von Staaten und Spenden aus der Privatwirtschaft oder von Nichtregierungsorganisationen. Nur noch rund 20 Prozent des Budgets kommen aus den Mitgliedsbeiträgen, die seit Jahren ohne Inflationsausgleich faktisch eingefroren sind.
Das gesamte Budget der Organisation für 2020 beträgt rund 4,4 Milliarden US-Dollar, das entspricht in etwa dem Etat der Universitätsklinik von Genf, wo die WHO ansässig ist. Seit mindestens zwanzig Jahren wird kritisiert, dass sie ständig unterfinanziert ist.
80 Prozent des Haushalts stammen aus freiwilligen Beiträgen. Einer der größten privaten Geldgeber ist dabei mit acht Prozent die Bill-Gates-Stiftung. Bei den Mitgliedsländern liegt Großbritannien vorn, gefolgt von der Europäischen Union mit sechs Prozent und Deutschland mit fünf Prozent. Diese Beiträge summieren sich auf rund 3,4 Milliarden des WHO-Haushalts. Wobei sich die Organisation seit je auch unter säumigen Zahlungen leidet.
Die USA werden in diesem Zusammenhang immer der größte Beitragszahler genannt. Das stimmt insoweit, als sie mit etwa 235 Millionen US-Dollar Pflichtbeitrag und rund 200 Millionen an freiwilligen Beiträgen für rund 10 Prozent des Gesamthaushaltes der WHO stehen. Allerdings sind diese Summen für eine Organisation mit so weitreichenden Aufgaben eher gering. Die Wirtschaftsmacht China allerdings zahlt nur 86 Millionen Dollar an die WHO und die kümmerliche Summe von 10 Millionen an freiwilligen Beiträgen. Vielleicht hat auch dieses Missverhältnis den Zorn von Donald Trump erregt.
Was macht überhaupt die WHO?
Die Weltgesundheitsorganisation befasst sich mit einer verwirrenden Fülle von gesundheitsbezogenen Problemen und Maßnahmen weltweit.
- Beobachtung Antibiotika-resistenter Erreger
- Frauengesundheit, wie Müttersterblichkeit in Entwicklungsländern
- Impfkampagnen - dabei gilt die Ausrottung von Polio als eine der Erfolgsgeschichten
- Bekämpfung chronischer Krankheiten
- Krisenreaktion bei Krankheitsausbrüchen
- Bekämpfung von Pandemien
- Allgemeine Richtlinien für gesunde Lebensweise
- Empfehlungen für Gesundheitssysteme
Seit Jahren wird kritisiert, dass sich die WHO um zu viele Einzelprobleme kümmert und das Augenmerk stattdessen auf eine Reihe von Kernaufgaben richten sollte sowie auf die Veröffentlichung von Leitlinien und Prinzipien. Allerdings scheint eine Einigung unter den 194 Mitgliedsländern der Organisation unmöglich, wie und wo solche Schwerpunkte gesetzt werden sollen.
Kritik an der WHO
Die Kritik an der Weltgesundheitsorganisation ist so alt wie sie selbst: Sie betrifft jeden Aspekt ihrer Arbeit, ihre Generaldirektoren, die unübersichtliche Fülle ihrer Aufgaben, die Intransparenz ihrer Haushalte und den Vorwurf der politischen Einflussnahme. Solche Bewertungen füllen ganze Bibliotheken.
Ein Beispiel für aktuelle Kritik kommt etwa von François Godement, Asien-Experte der französischen Denkfabrik "Montaigne". Er wirft WHO-Generaldirektor Tedros Ghebrayesus vor, die chinesischen Erklärungen und Daten zu Corona am Anfang zu kritiklos akzeptiert und deshalb zu spät reagiert zu haben. Ähnliche Stimmen gibt es aus verschiedenen Forschungsorganisationen.
Allerdings hängt die WHO von der freiwilligen Kooperation der Mitgliedsländer ab: Erst am 12. Februar durften ihre Experten nach Wuhan reisen, um die Ausbreitung der Krankheit vor Ort zu studieren. Bis dahin war sie tatsächlich auf die Angaben Pekings angewiesen.