Trump, May und Europa
27. Januar 2017Dass ein neuer US-Präsident einen britischen Premier als ersten ausländischen Gast im Weißen Haus begrüßt, ist nichts Außergewöhnliches. Die beiden Länder teilen eine gemeinsame Geschichte und neigen traditionell dazu, das Weltgeschehen ähnlich zu beurteilen. Aus diesem Grund gelten die amerikanisch-britischen Beziehungen als eine Bindung besonderer Art. Wahr ist aber auch, dass man dieser Deutung in London größeres Gewicht beimisst als in Washington.
Der Umstand aber, dass der US-Präsident Donald Trump und die Premierministerin Theresa May heißt, verleiht der zwischen beiden Ländern eingespielten Routine dann aber doch einen besonderen Akzent.
Trump hat nicht nur den Ausstieg Großbritanniens aus der EU öffentlich unterstützt. Er hat zudem seinen Sieg bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen als eine Art amerikanische Version des Brexit dargestellt. May unterdessen steht vor der schwierigen Aufgabe, Großbritannien aus der EU zu lösen. So stehen beide Politiker in einer besonderen Beziehung zueinander.
Gemeinsame Interessen
"Ich denke, beide haben ein starkes Interesse daran, ihr Treffen gut hinzubekommen", sagt James Goldgeier, Experte für US-amerikanische Außenpolitik, im Gespräch mit der DW: "Auch wenn keine substantiellen Themen auf der Tagesordnung stehen, kann man davon ausgehen, dass das Treffen optisch einen guten Eindruck macht. Es wird die besondere Beziehung der beiden Länder zueinander spiegeln. Darauf dürfte es beiden Politikern ankommen."
Konkrete Entscheidungen sind kaum zu erwarten, da Trump erst eine knappe Woche im Amt und noch damit beschäftigt sei, Feineinstellungen an seiner Regierungsmannschaft zu unternehmen.
Erwartet wird jedoch, dass Trump und May ihre Absicht zum Ausdruck bringen werden, ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien zu vereinbaren. Dieses liegt in beiderseitigem Interesse. Trump hat bereits erklärt, das Vereinigte Königreich müsse sich für ein Handelsabkommen mit den USA nicht ans Ende der Warteschlange stellen.
May, die für einen harten britischen Ausstieg aus der Europäischen Union steht, wird nicht nur durch einen prächtigen Empfang im Oval Office geehrt. Sie darf wohl die Gewissheit mit nach Hause nehmen, dass die Trump-Administration gerne ein neues Handelsabkommen mit Großbritannien in Angriff nehmen wird.
Die Brexit-Schmerzen lindern
"Wenn es May gelingt, Fortschritte bei der Ausgestaltung der Handelsbeziehungen zu erzielen, dürfte das dazu beitragen, den Brexit weniger schmerzhaft werden zu lassen", sagt Dan Reiter, Politikwissenschaftler an der Emory University in Atlanta. Die USA seien ein großes und als Handelspartner entsprechend bedeutendes Land.
Darum dürfte es auch nur von zweitrangiger Bedeutung sein, dass es bis zur endgültigen Verabschiedung des Abkommens noch einige Jahre dauern wird. Bevor Großbritannien die EU nicht endgültig verlassen hat, darf der Inselstaat keine neuen Handelsgeschäfte abschließen. So sehen es die Verträge der Europäischen Union vor.
So soll das Treffen vor allem das heimische Publikum auf beiden Seiten des Atlantik ansprechen. Darin allerdings dürfte es sich kaum erschöpfen.
"Die Begegnung hat symbolischen, zugleich aber auch realen Wert", sagte Theodore Bromund, Experte für anglo-amerikanische Beziehungen an der Heritage Foundation, einem konservativen Think Tank in Washington.
EU? Unwichtig!
"Die USA werden wahrscheinlich mit ihrer bisherigen Politik brechen, indem sie eine Brüssel gegenüber gleichgültige Haltung einnehmen", vermutet Bromund. Der Umstand, dass Trump die britische Premierministerin zu diesem Zeitpunkt empfange, sei ein starkes Signal dafür, welche Bedeutung die Trump-Regierung Großbritannien zuerkenne - und zugleich auch, welche Sicht sie auf die EU habe.
Selbst eine Laissez-faire-Haltung gegenüber Brüssel wäre bereits eine bedeutende Akzentverschiebung, da ein starkes, vereintes Europa und eine tiefere europäische Integration bislang eine traditionelle Säule der US-Außenpolitik waren - und zwar ganz unabhängig davon, wer im Weißen Haus regiert hat.
Aber der Besuch von May enthält nicht nur eine Botschaft an die EU, sagt Reiter: "Die neuen amerikanisch-britischen Beziehungen stehen im Kontext einer umfassenden Neubewertung, in der die USA ihr Verhältnis zu vielen Ländern der Welt neu regeln. Der Besuch signalisiere, dass Trump die Art der Globalisierung, für die die EU stehe, ablehne und stattdessen mit politischen Führern sympathisiere, die seine Weltanschauung teilen.
Erwartungen an Angela Merkel
"Die eigentliche Frage ist, ob Trump sich von seiner bisherigen Vorstellung zu verabschieden vermag, dass die EU ein überflüssiges Gebilde ist. Es kann aber auch sein, dass er diejenigen Länder unterstützt, die ebenfalls aus der EU austreten wollen oder sich für mehr Nationalismus in Europa stark machen", sagt Goldgeier: "Täte er das, wäre das für die Vereinigten Staaten und Europa gleichermaßen unglücklich."
Angesichts von Trumps bisherigem Europaverständnis komme es nun auch auf die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel an, betont Goldgeier: "Wenn sie Trump zum ersten Mal trifft, sollte sie ihn dabei unterstützen, die Geschichte und Funktionsweise der EU zu verstehen. Ebenso muss sie ihm klar machen, warum Europa für die Vereinigten Staaten wichtig sind."