Trucks und Technik
16. Januar 2013Die Zeiten der Zurückhaltung sind vorbei. Der US-Automarkt wächst, und so zeigen sich vor allem die drei amerikanischen Fahrzeughersteller auf der Automesse in Detroit von ihrer schnellen, starken und teuren Seite: Chrysler stellt seine Jeeps in den Vordergrund, den Grand Cherokee, den Grand Cherokee SRT und den Compass. General Motors schickt gleich zwei exklusive Hingucker ins Rennen: den Cadillac ELR, eine Hybrid-Luxuslimousine. Und einen Sportwagen, die neu aufgelegte Corvette mit dem vertrauten Namen Stingray. Ford präsentiert auf großer Bühne seine Trucks.
"Der Nutzfahrzeugmarkt", sagt Mark Fields von Ford, "macht heutzutage nahezu ein Drittel der weltweiten Autoverkäufe aus". Ford sei in allen großen Märkten vertreten, ergänzt Fields: "In den USA kommen nahezu die Hälfte aller kommerziell genutzten Trucks von Ford." Hier sieht der US-Autobauer seine Chance, denn bis 2017 sei ein globales Wachstum im Nutzfahrzeugebereich von 28 Prozent zu erwarten, vor allem in Asien und Nordamerika.
Elektro-Cadillac für wohlhabende Käufer
Ford präsentierte daher in Detroit auch ein entsprechendes Konzept-Auto, den Atlas, die neue Generation des F-150. Der imposante Pick-Up-Truck soll einerseits Schweres leisten, aber andererseits dank eines "Eco-Boost" Motors 20 Prozent Benzin sparen und bis zu 15 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen. Auch wenn Umweltbewusstsein und Elektroantrieb auf der Messe aus dem Zentrum verschwunden sind, ganz ohne kommt kein Autohersteller aus. Die Aerodynamik beim Atlas soll daher auch durch allerlei Gimmicks verbessert werden. Joe Hinrichs, Vizepräsident von Ford Amerika, nannte zwei: "Erstmals bei einem Pickup eingesetzte aktive Radblenden und Spoiler, die bei hohen Geschwindigkeiten automatisch einklappen." Auch smarte Technik kommt zum Einsatz, sie soll unter anderem das Anbringen von Anhängern erleichtern.
Auf dem Limousinen-Markt stellt General Motors seine Cadillacs in den Mittelpunkt. Der ATS wurde auf der Automesse in Detroit zum "Auto des Jahres" gewählt. Für Presserummel sorgte in Detroit aber der ELR - ein Cadillac mit Hybrid-Motor, der die gleiche Technologie nutzt wie der Chevrolet Volt und der eine Reichweite von fast 500 Kilometern verspricht. "Das typische tägliche Pendeln findet emissionsfrei statt", verspricht Design-Chef Mark Adams, aber bei langen Fahrten dient der Benzinmotor als Bordgenerator. Zwischen beiden Antriebsarten kann auch manuell hin und her geschaltet werden.
Selbstbewusst in die Zukunft schauen
Der neue Cadillac bietet auch allerlei technische Fahrhilfe: So kann über Schalter am Lenkrad gebremst werden, was beispielsweise im Stop-and-Go-Verkehr das Fahren erleichtern soll, erläutert Marketing-Vize Don Butler. Das luxuriöse Auto, das noch keinen Preis hat, sei für Kunden gedacht, die ihn sich stolz auf die Einfahrt stellen, sagt Butler. Das sei die richtige Strategie, auch wenn die Wirtschaftslage in den USA noch nicht allzu rosig ist: "Wir können uns in eine Ecke kauern und die Decke über den Kopf ziehen und hoffen, dass die Lage besser wird, oder wir können leben, atmen, eindrucksvoll auftreten und erklären, dass die Zeiten besser werden und den Weg dahin anführen - wir haben uns entschieden, Anführer zu sein."
Auch für den Sportwagen Chevrolet Corvette Stingray, die Neuauflage einer Legende, die seit sechs Jahrzehnten bei Autofans für leuchtende Augen sorgt, gibt es noch kein Preisschild, sagt Vertriebsleiter Harlan Charles, der stolz ist auf den Zweisitzer: "Wir glauben, dass wir die gesamte amerikanische Autoindustrie repräsentieren, und beweisen, dass wir ein Weltklasse-Sportwagen bauen können, der es mit den besten der Welt aufnehmen und gewinnen kann." Auch gegen die europäische Konkurrenz.
Elektronische Vollvernetzung
Kaufen kann man den Stingray im Spätsommer. Der Flitzer schafft es von Null auf Hundert Kilometer in vier Sekunden und verbraucht neun Liter auf Hundert Kilometer. Auch hier fehlen die Spritsparhinweise nicht, er soll schließlich auch für den Alltag tauglich sein: Im Öko-Modus läuft der Acht-Zylinder-Wagen nur auf vier Zylindern; die Aluminiumhülle spart 57 Prozent Gewicht im Vergleich zum Stahlchassis. Und auch beim Stingray fehlen nicht die technischen Gimmicks.
Eine der Besonderheiten: Zwölf verschiedene Eigenschaften lassen sich auf den Fahrer einstellen, "vom Lenkradverhalten, der Härte des Fahrgestells, der Schaltung, dem Geräusch des Auspuffs, sogar der Darstellung der Messinstrumente", erklärt Charles. Die elektronische Vernetzung ist mittlerweile zum Muss geworden: "Die Leute erwarten", sagt der Mann von Chevrolet, "die gleichen Features die sie auf ihren Handys, Tablets und Computern haben in ihren Autos, und im Corvette nutzen wir das, um dem Fahrer zu helfen."
Die Firma Covisint widmet sich ganz diesem vollvernetzten Auto. "Wir bewegen uns in die Richtung, dass Ihr ganzes vernetztes Leben in dem Wagen zugänglich ist: Facebook, Twitter, Ihre Musik, die Fähigkeit, den Ölstand zu prüfen zum Beispiel", sagt Sicherheitschef David Miller. Covisint stellt die Infrastruktur in der Cloud zur Verfügung, die das Auto mit der sozialen Welt des Fahrers verbindet. So können zum Beispiel Tweets und Nachrichtenfeeds vorgelesen werden. Ebenfalls vorstellbar ist, dass das Auto die medizinischen Daten des Fahrers kennt: "Wenn Sie eine Autounfall haben, dann ruft das Auto nicht nur die Feuerwehr", so Miller, "sondern schickt diese Informationen gleich mit, so dass der Notarzt Ihre Blutgruppe und ihre Allergien kennt. Etwas, von dem er jetzt keine Ahnung hat."
Der Wagen übernimmt das Kommando
Eine andere Möglichkeit: Der Wagen schaltet automatisch die Heizung im Haus höher, wenn er noch 30 Minuten von zuhause entfernt ist. Miller versichert, dass die Übertragungstechnologie und die Authentifizierungsmöglichkeit des Fahrers sicher seien, die Europäer den Amerikanern da allerdings einiges voraus hätten. Viele Fragen bleiben aber offen - auch zum Beispiel in Europa, wo die Regeln zum Senden von Textnachrichten von Land zu Land unterschiedlich sind. Hier könnte die Technik den Fahrer aber sogar unterstützen, indem bestimmte Features bei Grenzübertritt ein- oder ausgeschaltet werden.
Die Technik hält bereits in die Autos Einzug, sagt Miller: "Wir sehen jetzt in den jüngsten Modellen, dass die Fahrzeuge die Technik haben, um den Datenaustausch sicher durchzuführen." Was noch in diesem Jahr oder spätestens in ein oder zwei Jahren hinzukommt, ist die Software, die diese ganzen Einzelkomponenten verbindet - und die beispielsweise von Covisint entwickelt wird. Nicht umsonst wirbt die Firma mit dem Aston Martin von James Bond. Der Agent war der Realität schon immer in Sachen Datenvernetzung um einiges voraus. Jetzt sollen die Filmvisionen schon bald Wirklichkeit werden.
Hände weg vom Lenkrad!
Von dieser Art der Verbindung ist es nicht mehr weit bis zum automatisierten Auto: einem Wagen, der von selbst fährt. Audi, Google und der Autoteilehersteller Continental haben im US-Bundesstaat Nevada die Genehmigung erhalten, ihre Systeme zu testen. Schon 2016, erwartet Continental-Vorstandsmitglied Helmut Matschi, kann der Fahrer im Stop-and-Go-Verkehr die Hände vom Lenkrad nehmen. Den Verkehr muss er aber schon noch beobachten und gegebenenfalls wieder das Steuern übernehmen. Um 2020 soll das hochautomatisierte Fahren Wirklichkeit sein, bei dem die Maschine dem Menschen sagt, wann er wieder selbst lenken muss. "Und im Zeitraum 2025 erwarten wir ein vollautomatisiertes Fahren. Das heißt, dass es mehrere Situationen geben wird, die auch deutlich schneller sind als Stop-and-Go, in denen das Fahrzeug hochautomatisiert fahren kann, bei dem Sie die Hände frei haben."
Ein komplett führerloses Fahrzeug ist aber nicht geplant - der Fahrer soll nur in langweiligen oder auch gefährlichen Situationen entlastet oder unterstützt werden. Entscheidend ist dabei unter anderem, dass der Wagen automatisch die Blickrichtung des Fahrers erkennt. Mit Hilfe von LED-Lichtern wird der Blick eines abgelenkten Fahrers zum Beispiel auf die brenzlige Situation geleitet. Dazu werden Wetterinformationen ebenso verarbeitet wie die Daten einer 360-Grad-Umsicht. Und im Idealfall läuft für den Fahrer oder die Fahrerin alles intuitiv - ohne, dass er oder sie eine Gebrauchsanweisung lesen muss, um das Auto zu bedienen.
Die 360-Grad-Rundumsicht gehört jetzt schon bei vielen Autos zum Standard dazu - zum Beispiel in der neuen Version des Versa Note, den Al Castignetti, Vizepräsident von Nissan, in Detroit vorstellte. Hinzu kommt ein Navigationssystem, das mehr kann, als nur den Weg weisen. Es beinhaltet "[das Internetradio] Pandora, Bluetooth-gestreamtes Audio und die akustische Eingabe von SMS". Der Versa Note soll "das Leben ein bisschen einfacher machen und viel mehr Spaß bringen", so Castignetti.
Nissan spricht bei den Käufern aber noch einen anderen Sinn an: die Nase. Erstmals auf der Messe zu erschnuppern, ist ein Duft, der den Käufer des Wagens in allen Nissan-Filialen empfangen soll. Bei der Vorführung der Wagen riecht es denn auch leicht nach Zitone. "Orientalisch", wie Blätter von grünem Tee, beschreibt der Konzern die Duftmarke, die den Käufer in den Filialen von Nissan positiv stimmen soll. Ganz allein auf die Zugkraft des Autos will man sich also dann doch nicht verlassen.