Die meisten Deutschen fühlen sich sicher
5. Januar 2017Während sich die Parteien beim (Reiz)thema innere Sicherheit gegenseitig mit mehr oder weniger neuen Vorschlägen und Forderungen überbieten, reagieren die meisten Deutschen relativ gelassen auf die Terror-Gefahr. Laut aktuellem Deutschlandtrend des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap fühlen sich 73 Prozent der Befragten "eher sicher", während 26 Prozent mit "eher unsicher" antworteten. Die Frage wurde ihnen im Auftrag der "Tagesthemen" des ARD-Fernsehens und der Tageszeitung "Die Welt" Anfang des Jahres, also zwei Wochen nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, gestellt. Bei dem Attentat am 19. Dezember waren zwölf Menschen getötet und rund 50 verletzt worden.
Schaut man sich das Sicherheitsgefühl nach dem Kriterium der Partei-Sympathie an, trotzen die Anhänger der Linken dem Terror fast absolut: 96 Prozent von ihnen fühlen sich "eher sicher". Ähnlich gelassen reagieren potenzielle Grünen-Wähler (92 Prozent), gefolgt von den Freien Demokraten (89 Prozent). Deutlich geringer ausgeprägt ist ein positives Sicherheitsgefühl bei Anhängern der Sozialdemokraten (78 Prozent) und Unionsparteien CDU/CSU (77 Prozent). Von den Wählern der Alternative für Deutschland (AfD) fühlt sich sogar nur jeder Dritte (34 Prozent) einigermaßen sicher.
Insgesamt sind die Deutschen also anscheinend weit weniger ängstlich als viele Politiker vermuten. Das lässt sich besonders gut an den Ansichten zur Terror-Bedrohung ablesen. Die Zustimmung für mehr Video-Überwachung ist sogar gesunken. Auch die Achtsamkeit gegenüber verdächtig aussehenden Personen oder Gegenständen ist rückläufig. Und trotz der oft zu hörenden Kritik an den Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Weihnachtsmarkt-Anschlag, halten mehr Deutsche ihr Land für gut geschützt gegen Terror-Angriffe.
Politiker überschätzen die Ängstlichkeit ihrer Wähler
Bemerkenswert gut schneidet eine staatliche Behörde ab, die zum Jahreswechsel einer Rassismus-Diskussion ausgesetzt war: die Polizei. Ein Jahr zuvor war ihr unter dem Eindruck massenhafter sexueller Übergriffe in Köln und anderen Städten noch völliges Versagen vorgeworfen worden. Dennoch ist das Vertrauen in die Ordnungshüter überwältigend - 88 Prozent haben "großes" oder gar "sehr großes" Vertrauen in die Polizei. Von solchen Zustimmungswerten können die deutschen Geheimdienste nicht einmal träumen. Mehr als die Hälfte der Befragten hat "weniger" oder "gar kein" Vertrauen in die Institutionen, zu denen der Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst (BND) gehören.
Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Womöglich wirkt beim Inlandsgeheimdienst noch dessen dubiose Rolle bei der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) nach. Und der für das Ausland zuständige BND hat immer noch an seiner Verwicklung in den Abhör-Skandal des US-Geheimdienstes "National Security Agency" (NSA) zu knabbern. Tröstlich für die Bundesregierung dürfte das in sie gewachsene Vertrauen sein (plus sechs Prozent).
Deutsche halten die Flüchtlingssituation für das wichtigste Thema
Innere Sicherheit und die Abwehr der Terror-Gefahr ist insgesamt betrachtet aus Sicht der wahlberechtigten Deutschen das zweitwichtigste Thema, um das sich die Bundesregierung kümmern sollte. Gut jeder Zehnte (elf Prozent) sieht das so. Priorität hat für die Meisten aber die Flüchtlingssituation. Vier von zehn Wahlberechtigen (40 Prozent) sind der Meinung, dass es vorrangig behandelt werden sollte. Dabei nimmt die Sorge vor wachsender Kriminalität leicht zu (plus drei Prozent) und die vor Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt stark ab (minus zehn Prozent).
Die politische Stimmung im Land hat sich auf der Basis des Deutschlandtrends im Vergleich zum Dezember zugunsten der Unionsparteien und der AfD verändert. Beide legen bei der sogenannten Sonntagsfrage ("Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?") um zwei Prozentpunkte zu. Ein entsprechendes Minus müssen SPD und Grüne hinnehmen, während Linke (neun Prozent) und die FDP (fünf Prozent) auf der Stelle treten.
Eine sichere eigene Mehrheit hätte nur die Große Koalition
Damit wäre rein rechnerisch die Fortsetzung der Großen Koalition zwischen SPD (20 Prozent) und Union (37 Prozent) möglich. Beide Lager hegen dafür allerdings kaum Sympathien. Ein schwarz-grünes Bündnis käme nur bei einem Scheitern der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde in Betracht. Und Rot-Rot-Grün ist mit zusammen gerade einmal 38 Prozent meilenweit von einer eigenen Mehrheit entfernt. Da die AfD für keine der anderen Parteien als Partner infrage kommt, wäre theoretisch noch ein Dreier-Bündnis von Union, SPD und Grünen denkbar.
Ein solches regiert seit 2016 in Sachsen-Anhalt. Und in Rheinland-Pfalz haben sich ebenfalls im vergangenen Jahr SPD, FDP und Grüne zusammengetan. Auf Bundesebene wären beide Konstellationen eine Premiere. Weil dort aber die beiden größten politischen Lager auf jeden Fall eine eigene Mehrheit erreichen werden, müssten sie sich im Falle einer Fortsetzung ihrer Koalition erst gar keine Gedanken über eine Dritte im Bunde machen.
Bis zur Bundestagswahl im September ist es zwar noch eine Weile hin, aber im politischen Alltag stimmen sich die Parteien schon kräftig darauf ein. Bundekanzlerin Angela Merkel hat bereits ihre erneute Kandidatur angekündigt. Die SPD will ihren Herausforderer Ende Januar offiziell küren. Wobei fast alle davon ausgehen, dass Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gegen Merkel antreten wird.
Die Meisten rechnen mit einem aggressiven Bundestagswahlkampf
Bei den Grünen stimmt die Basis über die Spitzenkandidaten ab, die Linke hat ihre schon benannt. Und für die FDP drängt ihr Vorsitzender Christian Lindner in den Bundestag. Jene Bühne, die von der AfD bei einem aktuellen Umfragewert von 15 Prozent mit ihrer Frontfrau Frauke Petry zum ersten Mal betreten werden dürfte.
Dass der Umgangston über Parteigrenzen hinweg rauer geworden ist, lässt sich schon länger beobachten. Nach der Schlammschlacht im US-Wahlkampf und wegen Spekulationen um möglicherweise die Bundestagswahl beeinflussende sogenannte Fake-News rechnen die meisten Befragten nun auch mit negativen Auswirkungen auf den Bundestagswahlkampf.