Trotz Marktturbulenzen keine neue Asienkrise
14. September 2018Der Wirtschaftsaufschwung in den USA, ein starker US-Dollar und die Spannungen im internationalen Handelssystem haben in den vergangenen Wochen die Volkswirtschaften von Schwellenländern stark in Mitleidenschaft gezogen, da Anleger ihr Geld zunehmend in den USA anlegten.
Im August hat der Zufluss von ausländischen Portfolio-Investitionen in Schwellenländer nach Zahlen des Branchenverbandes IIF nur noch 2,2 Milliarden US-Dollar betragen, im Vergleich zu 13,7 Milliarden im Vormonat Juli.
Die amerikanische Notenbank wird auf ihrem eingeschlagenen Kurs der Normalisierung der Geldpolitik bleiben und zwei weitere (moderate) Leitzinserhöhungen im Laufe des Restjahres tätigen; gleichzeitig scheint sich die Finanzlage in anderen Volkswirtschaften der Welt angespannt zu haben.
Thailands Widerstandskraft
In Asien wurden einige Länder hart von dem Ausverkauf von Vermögenswerten in Schwellenländern getroffen, was sich unter anderem im starken Wertverlust ihrer Währungen gegenüber dem US-Dollar zeigte. Es gibt Befürchtungen, dass Asien vor einer Neuauflage der Finanzkrise von 1997-98 stehen könnte, die die Region damals erschüttert hatte.
So ist die indonesische Rupie auf den tiefsten Stand seit jener Asienkrise gefallen, sie hat seit Anfang des Jahres 9,2 Prozent gegenüber dem US-Dollar verloren. Noch härter hat es die indische Rupie getroffen, die rund zwölf Prozent gegenüber dem US-Dollar einbüßte.
Andere asiatische Währungen haben sich als widerstandsfähig in der aktuellen Krise der Schwellenländer erwiesen, so beispielsweise der thailändische Baht. Experten sehen den Grund dafür im großen Leistungsbilanzüberschuss Thailands und in seinen ausreichenden Devisenreserven.
Thailands Leistungsbilanzüberschuss wird für dieses Jahr auf neun Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes (BIP) geschätzt, in den vergangenen beiden Jahren war dieser Anteil sogar zweistellig. Die Stabilität des Baht im aktuellen Krisenumfeld ist im starken Kontrast zum Jahr 1997, als er über 50 Prozent seines Wertes innerhalb von sechs Monaten verlor.
Sorgenkind Indonesien
Indien und Indonesien weisen hingegen große Leistungsbilanzdefizite auf, d.h. der Wert ihrer Waren- und Dienstleistungsimporte übersteigt den Wert der Exporte, was wiederum ihre Währungen schwächt und anfälliger für Fluktuationen auf den Weltmärkten macht. "Die Stützung der Landeswährung wird immer mehr zur obersten Priorität der indonesischen Zentralbank und Regierung", schreibt Gareth Lander vom Londoner Analysehaus Capital Economics.
Indonesiens Zentralbank hat bisher in diesem Jahr fast zehn Prozent ihrer Devisenreserven verkauft, um die Rupie zu stützen; die Reserven betragen derzeit rund 118 Milliarden US-Dollar, der niedrigste Wert seit Januar 2017. Damit können nach Angaben der Bank immer noch die Importe über einen Zeitraum von sechs Monaten finanziert sowie die Auslandsschulden der Regierung bedient werden. Dennoch zeigt die Lage die verwundbare finanzielle Position des südostasiatischen Landes auf.
"Die indonesische Volkswirtschaft ist durch einige strukturelle Schwächen gekennzeichnet", sagt der indonesische Ökonom und ehemalige Minister im Kabinett von Präsident Widodo, Rizal Ramli, der DW. Darunter seien insbesondere das hohe Haushaltsdefizit und die hohe öffentliche Verschuldung. Das Drehen an der Zinsschraube durch die Zentralbank alleine ohne gleichzeitige Strukturreformen von Seiten der Regierung werde das Problem nicht lösen. Vielmehr werde ein Weiter-so zu einer Zunahme von faulen Krediten und anderen Problemen in den Finanzinstituten des Landes führen, mahnt Ex-Minister Rizal Ramli.
Gemischte Bilanz Indiens
In Indien rechnet der IWF für dieses Jahr mit einem größeren Leistungsbilanzdefizit als Indonesien, es werde rund 2,6 seines BIP entsprechen, im vergangenen Jahr waren es noch 1,9 Prozent. Auch Indiens Haushaltsdefizit ist eines der größten in Asien, im zweiten Quartal (April-Juni) betrug es nach Regierungsangaben knapp 63 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig verzeichnete Indien im selben Quartal ein aufs Jahr bezogenes Wachstum von 8,2 Prozent, ebenso verfügt es über große Devisenreserven von rund 400 Milliarden US-Dollar.
Auch wenn asiatische Währungen wie die Rupie Indiens und Indonesiens sich nicht als so widerstandsfähig erwiesen haben wie der thailändische Baht, so haben sie auch nicht solche Schläge hinnehmen müssen wie die Währungen der Türkei und Argentiniens.
Um ihre Währungen zu stützen und die Inflation zu bremsen, greifen wie erwähnt einige asiatische Ländern zu Zinserhöhungen. So haben die Zentralbanken der Philippinen und Indien die Sätze in diesem Jahr um 100 Basispunkte (ein Prozent) beziehungsweise 50 Basispunkte erhöht. Beobachter gehen davon aus, dass Indonesien und die Philippinen in den kommenden Monaten eine extrem restriktive Geldpolitik verfolgen werden, um die rasch wachsende Inflation in den Griff zu bekommen.
Asien steht heute anders da als 1997
Nach Ansicht von Charlie Lay von der Commerzbank ist es unwahrscheinlich, dass die jüngsten Entwicklungen auf den globalen Devisenmärkten zu einer neuen Asien-Krise führen werden. "Unternehmen in Asien sind generell geringer verschuldet als 1997 und haben auch geringere Schulden in US-Dollar", betont der Experte für Schwellenländer gegenüber der DW. Auch habe sich das makro-ökonomische Management verbessert, die Wechselkurse würden flexibler gehandhabt und die meisten asiatischen Volkswirtschaften verzeichneten einen Leistungsbilanzüberschuss, ungeachtet der Gegenbeispiele Indien und Indonesien.