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PolitikEuropa

Ursula von der Leyen will EU-Kommissionschefin bleiben

Bernd Riegert aus Brüssel
19. Februar 2024

Ursula von der Leyen reloaded: Die deutsche Christdemokratin strebt eine zweite Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission an. Wie stehen ihre Chancen?

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Ursula von der Leyen bei der Pressekonferenz nach der CDU-Gremiensitzung in Berlin
Sie will es noch einmal wissen: Ursula von der Leyen am Montag in BerlinBild: Metodi Popow/IMAGO

Die deutsche Christdemokratin Ursula von der Leyen leitet seit 2019 als erste Frau die EU-Kommission in Brüssel. Sie ist 65 Jahre alt und könnte damit in Rente gehen. Will sie aber nicht. Bis 2029 will sie weiter Präsidentin der mächtigen Kommission bleiben, um halbfertige Projekte wie den klimaneutralen Umbau der europäischen Wirtschaft oder einen Beitritt der Ukraine zur EU weiter voranzutreiben.

"Ich finde, dass Ursula von der Leyen hier einen guten Job gemacht hat. Ich kenne den Job und seine Schwierigkeiten. Das ist nicht nur der wichtigste Job, den die EU zu vergeben hat, sondern auch der schwierigste. Nicht jeder kann das. Sie kann das", sagte ihr Vorgänger im Amt, der Luxemburger Jean Claude Juncker, dem Deutschlandfunk im Herbst 2023.

Ursula von der Leyen trägt eine Maske und richtet ihr Mikrofon
Permanentes Krisenmanagement: Von der Leyen musste die EU durch die Pandemie führen und Impfstoff besorgenBild: picture-alliance/dpa/EC/E. Ansotte

An diesem Montag erklärte Ursula von der Leyen in Berlin bei einer Sitzung ihrer Partei CDU förmlich ihre Bereitschaft, noch einmal anzutreten. Von der Leyen sei einstimmig vom CDU-Vorstand zur Spitzenkandidatin der christdemokratischen Parteienfamilie EVP nominiert worden, bestätigte CDU-Chef Friedrich Merz. In zwei Wochen wird die christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP) sie dann als Spitzenkandidatin auf den Schild heben. Die Kommissionspräsidentin wird allerdings auf keinem Wahlzettel erscheinen. Sie kann bei den anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament Anfang Juni nicht direkt bestimmt werden.

Auf die Mitgliedsstaaten kommt es an

Über die zweite Amtszeit entscheiden die 27 Staats- und Regierungschefs und -chefinnen der Europäischen Union. Sie haben das Vorschlagsrecht. "Von der Leyens Chancen stehen nicht schlecht, aber es wird definitiv nicht einfach", sagt Janis Emmanouilidis. Er beobachtet für den Denkfabrik "European Policy Centre" in Brüssel die EU-Führungskräfte seit vielen Jahren.

Janis Emmanouilidis, Direktor des "European Policy Centre" EPC, blickt in die Kamera
EU-Experte Janis Emmanouilidis: Sie hat gute ChancenBild: Martin Luy/DW

Der Posten der EU-Kommissionschefin sei ja nur Teil eines Gesamtpaketes, über das im Sommer entschieden werden müsse, erläutert Emmanouilidis. Auch der Präsident des Europäischen Rates, der Außenbeauftragte der EU und die Präsidentin des Europäischen Parlaments müssten ausgehandelt werden. Das erfordere Einstimmigkeit unter den Mitgliedsstaaten. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, ein erbitterter politischer Gegner von Ursula von der Leyen, könnte blockieren. "Er wird definitiv einen Preis fordern", ist sich der politische Beobachter Emmanouilidis sicher. "Und dann braucht sie auch die Zustimmung des Europäischen Parlaments. Bereits 2019 war es äußerst knapp."

Das EU-Parlament muss zustimmen

Das frisch gewählte Europäische Parlament muss die EU-Kommissionspräsidentin auf Vorschlag der Staats- und Regierungschefs bestätigen. 2019 bekam von der Leyen nur eine knappe Mehrheit von neun Stimmen. Diesmal dürfte das Suchen nach Mehrheiten noch schwieriger werden, weil nach Umfragen mehr rechtspopulistische und eher schwer berechenbare Abgeordnete in das Parlament mit insgesamt 720 Sitzen einziehen werden.

Von der Leyen und Selenskyj zeigen auf einen Punkt hinter der Kamera
Unterstützung für die Ukraine als Leitmotiv: Von der Leyen und Präsident Selenskyj in KiewBild: Efrem Lukatsky/AP/dpa/picture alliance

Der sozialdemokratische italienische Abgeordnete Brando Benifei sagte der DW, die EU brauche einen Wandel. "Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, Ursula von der Leyen erneut zu wählen. Sie versucht die beste Freundin von Nationalisten wie (Italiens Ministerpräsidentin) Georgia Meloni zu werden. Sie hat Migrationsregeln vorangebracht, die gegen die Interessen der EU verstoßen."

Viel angekündigt, genug geliefert?

In Brüssel wird von vielen Beobachtern gelobt, dass sich von der Leyen sich als ständige Krisenmanagerin in der Corona-Pandemie und bei der Antwort auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine bewährt habe. "Es war für Frau von der Leyen nicht einfach, die Truppe zusammenzuhalten. Das ist ihr gelungen und dafür verdient sie Lob und Anerkennung", meint ihr Vorgänger im Amt, Jean Claude Juncker.

Der Europa-Abgeordnete Martin Schirdewan von der Linkspartei ist da kritischer: "Was hat sie tatsächlich erreicht? Sie ist eine Meisterin im Ankündigen und Produzieren von wunderschönen Schlagzeilen. Aber beim Schutz der Demokratie, dem Kampf gegen Armut und der Stärkungen der Industrie in Europa hat sich nicht geliefert. Die Erwartungen wurden nicht erfüllt. Das muss besser werden", forderte Schirdewan im Gespräch mit der DW.

Martin Schirdewan steht im Reichstagsgebäude in Berlin
Das EU-Parlament muss ihrer Berufung zustimmen: Kritiker wie Linken-Politiker Schirdewan lehnen sie abBild: Elmenthaler/Geisler Fotopress/picture alliance

"Sie hat oftmals mehr auf den Tisch gelegt als das, was am Ende erfüllt wurde. Aber das muss man auch teilweise, in der Kommunikation und in dem Druck, den man ausübt, wenn man auf europäischer Ebene Kompromisse finden will und Führung nicht nur ankündigt, sondern versucht auch zu zeigen", bewertet der EU-Experte Janis Emmanouilidis das Vorgehen von der Leyens.

Trump könnte von der Leyen das Leben schwer machen

2019 war die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen mit dem Anspruch angetreten eine "geopolitische EU-Kommission" zu führen. Zunächst konzentrierte sie sich auf eine bessere Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten. Doch der Krieg Russlands mitten in Europa gegen die Ukraine ließ dieses Engagement in den Hintergrund treten.

Überhaupt sei es für die EU-Kommission schwierig, die Außenpolitik zu bestimmen, meint Janis Emmanouilidis vom "European Policy Centre": "In der Außen- und Sicherheitspolitik haben die Mitgliedsstaaten die zentralen Kompetenzen und müssen einstimmig entscheiden. Man muss vorsichtig sein, wenn man da gewisse Ansprüche anmeldet. Die EU-Kommission hält das Zepter nicht allein in der Hand. Es ist wirklich komplex auf europäischer Ebene."

Viktor Orban und Ursula von der Leyen in Brüssel
Rechtspopulist Viktor Orban macht von der Leyen das Leben schwer. Donald Trump könnte zur Herausforderung werden.Bild: picture-alliance/AA/D. Aydemir

Zumal eine zweite Amtsperiode nicht einfacher werden dürfte. Denn von 2025 an muss Ursula von der Leyen damit rechnen, dass im Weißen Haus in Washington erneut Donald Trump regieren wird. Die beiden haben kein gutes Verhältnis und Trump vergisst nicht. Ein verschärfter Handelskrieg zwischen den USA und Europa könnte ins Haus stehen.

"Das wird eine Herausforderung für uns alle werden", bilanziert EU-Experte Janis Emmanouilidis die Aussichten für eine zweite von der Leyen-Kommission. "Nicht nur die Präsidentin der EU-Kommission wird es schwer haben, damit umzugehen. Wir alle werden damit Probleme haben. Innerhalb der EU, aber auch in der NATO."

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union