Trinken bis zum Abwinken
23. April 2004
Trinken bis zum Umfallen ist "in" unter deutschen Jugendlichen. Nachzulesen ist das im aktuellen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung. "Koma-Trinken" nennt es die Drogenbeauftragte - zu Recht. Immer mehr Jugendliche lassen sich so ausdauernd vollaufen, dass die Sauftour im Krankenhaus endet. Diagnose: Alkoholvergiftung. Schuld sind nach Ansicht der Drogenbeauftragten auch die Alcopops, kleine bunte Flaschen mit fruchtig-süßem Inhalt, ein Teil davon hochprozentig. Trinkt sich so locker weg wie Saft, hat aber fatale Wirkung: Nach zwei oder drei Fläschchen kippt ein Vierzehnjähriger um.
Was tun?
Die deutschen Gesetze sind längst scharf genug: An unter 18jährige dürfen Alcopops gar nicht verkauft werden, weil sie hochprozentigen Alkohol enthalten. Aber in diesen Gesetzestext kann man locker ein paar Flaschen Schnaps einwickeln, denn wer hält sich schon daran? Den meisten Ladenbesitzern ist das Alter der Käufer völlig egal. Ausweiskontrollen sind lästig, Hauptsache, der Umsatz stimmt. Hinter dieser scheinbaren Gleichgültigkeit steckt aber ein ganz anderes Phänomen: Viel trinken ist normal, sich zu betrinken schon fast cool. Die Älteren machen es vielfach vor, die Jüngeren ahmen es nach. Spaß mit viel Promille und mit der prahlerischen Ankündigung: "Heute gebe ich mir mal so richtig die Kante".
Eine Frage des Selbstbewusstseins
Mitleidige Blicke erntet, wer nicht mitsäuft. Apfelschorlen-Trinker gelten sofort als Spaßbremsen jeder Party, während die Besoffenen sich später in maßloser Selbstüberschätzung auch noch hinters Steuer setzen und weiteren Schaden anrichten. Während die Trinker übergroße Mehrheit die Gesellschaft hinter sich wissen, sollte jeder Nicht-Trinker (besonders Männer) möglichst ein ärztliches Attest ("Alkoholallergie") bereit halten, um ohne blöde Sprüche einen Abend lang Orangensaft konsumieren zu können.
Hoch mit dem Preis!
Dass jährlich in Deutschland 40.000 Menschen an den Folgen des Alkohols sterben, aber weniger als 1500 an illegalen Drogen wie Heroin, wird weitgehend verschwiegen. Jeder kennt ein oder zwei Alkoholiker, aber darüber wird nicht groß geredet. Gut, dass die Drogenbeauftragte wenigstens einmal im Jahr das vom Bier- und Schnapsgenuss getrübte Weltbild gerade rückt. Was die Alcopops angeht, so bleibt der Bundesregierung jetzt nur noch die Notbremse: Sie sollen viel teurer werden, damit die Jugendlichen sie sich schlicht nicht mehr leisten können. Alle anderen Appelle sind nutzlos.