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Glaube

"Trainerin der Seele"

5. August 2024

Elisabeth Keilmann ist Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz und während der olympischen und paralympischen Spiele in Paris vor Ort. Ein Beitrag der katholischen Kirche.

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Claudia Tagbo hält die Olympische Flamme während der Olympischen Sommerspiele in Paris 2024
Claudia Tagbo hält die Olympische Flamme während der Olympischen Sommerspiele in Paris 2024Bild: Julien Mattia/IMAGO

"Seelsorger - das ist ein passender Begriff. Es ist so gut, dass auch Trainer für die Seele dabei sind", sagte einmal eine Sportlerin zu mir. Für sie sei es wichtig, dass Seelsorgerinnen und Seelsorger bei sportlichen Großveranstaltungen dazugehören, die nahe bei den Menschen sind und als Ansprechpartner*innen für Gespräche über das Leben und den Glauben da sind.

Seit 2018 bin ich Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz, und das sehr gerne. Vielfältige Aufgaben gehören zu meiner Tätigkeit.

Elisabeth Keilmann
Elisabeth KeilmannBild: privat

So begleite ich die deutschen Mannschaften bei den Olympischen Spielen, den Paralympics, den Word University Games und den Special Olympics.

Es ist ein wertvolles Gut und gerade bei sportlichen Großevents etwas Nicht-Selbstverständliches, mit einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin auch über ganz normale Dinge sprechen zu können, ohne Bedenken haben zu müssen, dass das Erzählte später nach außen getragen wird. Das wissen viele zu schätzen. Wir haben für die Menschen in den unterschiedlichen Lebenssituationen immer ein offenes Ohr.

Mir ist es wichtig, für die Menschen da zu sein, um Mut zuzusprechen, um zu trösten, um Freude zu teilen. Das biblisch-ganzheitliche Menschenbild mit all den Erfahrungen von Freude, Gemeinschaft, Gelingen, Grenzen, Sieg und Niederlage bildet die Grundlage der Sportseelsorge. Es geht um das Aufgreifen von Fragen, die Menschen in vielfältigen Lebenskontexten betreffen.

Ich erinnere mich noch an einen jungen Sportler bei den World University Games 2019, dessen Mutter drei Wochen vor dem Wettkampf gestorben war. Er gehörte keiner Kirche an und wollte mit meinem evangelischen Kollegen und mir sprechen, um aus christlicher Sicht zu hören, wie unser Umgang mit solchen Situationen ist. Es war ein tiefgehendes Gespräch, was mich bis heute bewegt.

Es geht also um eine Seelsorge als Sorge um den ganzen Menschen. Wir schauen nicht auf die Leistung der Athletinnen und Athleten, sondern nehmen sie als Person in den Blick.

So ist es auch in diesem Jahr bei den olympischen und paralympischen Spielen in Paris. Ich bin - gemeinsam mit meinen evangelischen Kollegen - Ansprechpartnerin für das deutsche Team, auch für Betreuer*innen, Trainer*innen, Familien, Freund*innen.

Wir sind rund um die Uhr für die gesamte deutsche Mannschaft erreichbar und stehen in Krisenfällen als "Notfallseelsorger" zur Verfügung. Aber auch abseits von Notfällen haben wir Zeit für vertrauensvolle Gespräche und laden die Menschen ein, einmal zur Ruhe zu kommen. Wir bieten Gottesdienst und Meditationen an. In der Hektik des Wettbewerbs sind solche Auszeiten besonders wichtig. Nur wenn es der Seele gut geht, kann der Mensch sich voll und ganz auf die bevorstehenden Herausforderungen einlassen.

Kirche ist aber auch darüber hinaus für den Sport von Bedeutung. Immer wieder diskutieren wir im Arbeitskreis Kirche und Sport ethische Fragen, die bei solchen Wettbewerben aufkommen. Wir besprechen Themen wie Doping, Fairplay, Kommerz, aber zum Beispiel auch die Problematik von Sportwetten.

Ich bin öfters gefragt worden, wie Kirche und Sport überhaupt zusammenpassen. Ich bin davon überzeugt, dass Kirche und Sport gemeinsam Großartiges bewirken können, um sich immer wieder für Werte einzusetzen, z.B. für Toleranz, Respekt, Fairness, Solidarität und Frieden.

Kirche und Sport stehen in einer aktiven Partnerschaft, die sich für die menschliche Würde und Freiheit einsetzen. Dazu gehört die vorurteilsfreie Begegnung von Menschen, weil jeder Mensch einzigartig und wertvoll ist.

München 1972 war ein Meilenstein in der Geschichte der ökumenischen Olympiaseelsorge und prägte in besonderer Weise die Partnerschaft von Kirche und Sport.

Mittlerweile ist es gute Tradition, dass Seelsorgerinnen und Seelsorger der katholischen und evangelischen Kirchen in ökumenischer Verbundenheit die deutschen Mannschaften bei den sportlichen Großevents seelsorgerisch begleiten.

Es ist wichtig, dass die Kirche im Sport präsent ist. Kirche sollte Menschen in allen Lebensbereichen begleiten und somit auch im Sport pastoral und spirituell am Ball bleiben. Denn am Ende braucht es nicht nur einen Trainer für den Körper, sondern auch für die Seele.

Vita:

Elisabeth Keilmann, Jahrgang 1961, verheiratet, Studium der katholischen Theologie in Bochum. Viele Jahre als Pastoralreferentin im Bistum Essen tätig. Seit 2018 Sport- und Olympiaseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz und Geistliche Beirätin des DJK-Sportverbands

Dieser Beitrag wird redaktionell von den christlichen Kirchen verantwortet.