Touristen lieben Deutschland
12. April 2013Wer sich in Berlin am Brandenburger Tor ins Gewimmel stürzt, dem wird schnell klar: Deutschland, allem voran die Hauptstadt, ist beliebt bei Touristen. Immer wieder posieren Gruppen für ein Erinnerungsfoto vor der weltbekannten Sehenswürdigkeit, die zugleich Symbol für die Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands ist. Die junge US-Amerikanerin Chloé Miller aus Los Angeles etwa lässt sich für ein Kunstprojekt inspirieren. Für Helen Sayo von den Philippinen gehört das Brandenburger Tor zum Kulturprogramm auf ihrer Deutschlandreise. Auch der Norweger Dag Cato Skårvik zeigt seinen Töchtern Johanne und Emilie das berühmte Tor gleich am ersten Urlaubstag. Er verbindet mit dem Ort nicht nur Geschichte, sondern ein Gefühl: "Mit dem Lied ‚You and me at the Brandenburger Tor' startete Norwegen 1990 beim European Song Contest. Ich liebe die Stadt, ich komme wieder."
Ingesamt zählte das Statistische Bundesamt im vergangenen Jahr 407,4 Millionen Übernachtungen in Deutschland. Das sind mehr als je zuvor. Zu verdanken ist dieser Rekord vor allem den ausländischen Gästen: Erstmals gingen 68,8 Millionen Übernachtungen auf das Konto internationaler Besucher, die besonders gern Städtereisen machten.
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin
Laut aktuellem Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus, der regelmäßig Übernachtungsgäste befragt, kommen 41 Prozent der ausländischen Besucher wegen der Sehenswürdigkeiten. Die gibt es verteilt in ganz Deutschland, und besonders geballt in Berlin. Die Stadt bietet gleich drei der beliebtesten Touristenattraktionen Deutschlands: das Brandenburger Tor, die Museumsinsel mit ihren Kunstschätzen aus vier Jahrtausenden und die königlichen Schlösser und Parks von Berlin und Potsdam. So ist Berlin unter ausländischen Reisenden deutschlandweit die meistbesuchte Stadt.
Als zweitstärkstes Reisemotiv nannten die ausländischen Gäste Natur und Landschaft - was sich etwa in Reisen nach Bayern niederschlug. Prof. Dr. Hasso Spode, Leiter des Historischen Archivs zum Tourismus an der Technischen Universität Berlin, sieht jedoch noch einen anderen Grund, weshalb es viele Touristen nach Bayern zieht: "Diese Region bestimmt für viele Ausländer, je weiter weg sie von Deutschland sind, immer noch das Deutschlandbild, mit Blasmusik und Oktoberfest. Das ist die ganz traditionelle Schiene aus dem 19. Jahrhundert." Auch Heidelberg, Rotenburg ob der Tauber oder Schloss Neuschwanstein würden zu dieser Art Reiseziel zählen. "Die neue Schiene ist Berlin, Hamburg, München - Großstädte! Gerade Berlin ist sehr attraktiv für junge Menschen als ein Ort kultureller Lebendigkeit. Ich denke, Berlin ist im Moment weltweit führend in dieser Hinsicht."
Nord- und Ostsee locken ebenfalls Feriengäste an. Doch hier sind es vor allem die Deutschen selber, die die Zahlen bestimmen: Mit 338,6 Millionen ging mehr als 80 Prozent aller Übernachtungen 2012 auf das Konto der inländischen Urlauber.
Das neue Luxusbedürfnis der Chinesen
Ein weiterer Trend, der sich im Deutschlandtourismus abzeichnet, sind Shoppingreisen. Laut aktuellem Qualitätsmonitorbericht ist für elf Prozent der ausländischen Gäste das Einkaufsangebot wichtig für eine Reise. Oft seien es Touristen aus China; einem Land, wo Reisen nach Europa als Statussymbol gelten. Im Durchschnitt 628 Euro gaben Chinesen 2012 auf ihrer Deutschlandreise allein für Tax-Free-Produkte wie Sonnenbrillen, Handtaschen oder Parfum aus - mehr als die anderen ausländischen Gäste.
Noch kommen die meisten Deutschlandbesucher aus den Niederlanden und den USA. Doch auch hier holen die Chinesen auf, die seit 2012 neuer Reiseweltmeister sind. Aus den anderen BRIC-Staaten Brasilien, Russland und Indien, sowie aus Ost- und Südeuropa reisen ebenfalls immer mehr Menschen nach Deutschland. Ein Jahr nach der Katastrophe von Fukushima waren auch die Japaner wieder da, worüber sich Petra Hedorfer, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Zentrale für Tourismus, freut: "Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2012 haben wir über 476.000 Übernachtungen aus Japan registriert. Das ist ein Zuwachs von 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr."
Der Antrieb zu reisen
Entgegen aller ausgerufenen Trends und Marketingkampagnen habe sich der Tourismus des 21. Jahrhunderts nicht grundlegend verändert, davon ist Historiker Spode überzeugt: "Sieht man davon ab, dass das Ganze riesige Dimensionen angenommen hat, die man sich um 1900 nicht hätte träumen lassen, war das Meiste schon vor 100 Jahren ausgebildet: am Strand liegen, freiwillig in die Berge klettern, einen Kanon von Sehenswürdigkeiten abarbeiten." So verbindet die Suche nach besonderen Orten die Reisenden heute global - auch am Brandenburger Tor in Berlin.