"Das Parfüm" von Tom Tykwer
14. September 2006"Das Parfüm" entwickelte sich kurz nach seinem Erscheinen 1985 zu einem der erfolgreichsten Bücher aus Deutschland. Übersetzt in 40 Sprachen wurde der Roman über 15 Millionen Mal verkauft. Die bizarre Kriminalgeschichte eines Mörders im Frankreich des 18. Jahrhunderts galt in der Szene lange als unverfilmbar. Patrick Süskind weigerte sich darüber hinaus beharrlich, die Rechte an dem Buch zu verkaufen. Nach langen Verhandlungen gelang dies schließlich aber dem deutschen Erfolgsproduzenten Bernd Eichinger. Und der setzte dann Tom Tykwer als Regisseur ein.
143 Minuten lang ist der Film "Das Parfum" geworden. Man bekommt opulente Bilder präsentiert. Auf der Leinwand erscheinen Weltstars des Kinos wie Dustin Hoffman. Doch ob es sich bei der Verfilmung des Weltbestsellers von Patrick Süskind um einen guten Film handelt, das muss jeder Zuschauer selbst entscheiden. Erste Reaktionen der Kritik fielen jedenfalls höchst zwiespältig aus.
Regisseur Tom Tykwer, seit seinem Berlin-Kultfilm "Lola rennt" das Zugpferd des neuen deutschen Films, hat sich eng an die literarische Vorlage gehalten. Man verfolgt die Geburt des Protagonisten Jean-Baptiste Grenouille im Paris des Jahres 1738, lernt seinen genialen Geruchssinn kennen, nimmt teil am Leben des verschrobenen Außenseiters, der kaum normalen Kontakt mit anderen Menschen pflegt, dafür aber die Welt über die Gerüche erschließt. "Als er das erste Mal ein tolles Mädchen trifft, versagt er komplett", erklärt Tykwer. "Das stürzt ihn in ein Trauma. Und er lernt nicht dazu."
Das große Thema Einsamkeit
Grenouille wird schließlich zum Mörder, der seinen Opfern, allesamt junge Frauen, im wahrsten Sinne des Wortes ihren jeweils individuellen Geruch vom Leibe abpreßt. Am Ende muß Grenouille jedoch erkennen, dass seine ganz spezielle Form der Liebe zum Scheitern verurteilt ist.
"Es ist ja gar nicht so, dass es hier um eine eigenartige Fantasy-Welt geht mit einem Irren, der zufällig gut riechen kann", erklärt Tykwer. "Sondern es die Geschichte eines Mannes, der unheimlich einsam ist, und das ist ein klassischer literarischer Filmtopos." Schließlich sei das Leben in der Einsamkeit eines, das jeder gut verstehen könne.
Tom Tykwer will mit seinem Film einen möglichst großen Zuschauerkreis ansprechen. Nicht auf die bizarren Seiten der Handlung sei es ihm angekommen, sondern mehr auf allgemein gültige Aussagen: Grenouilles Leiden, sich sozial nicht adäquat ausdrücken zu können, gehe uns alle an, meint Tykwer. "Wir leiden doch alle darunter, dass es so anstrengend ist, dass man sich ständig verkaufen muß. Wirr mogeln gerne mal ein bißchen, motzen uns auf oder versuchen, irgendwelche Muster zu lernen."
Sinnliches Defizit
Die Geschichte des Frauenmörders Grenouille dürfte vor allem aufgrund der schon bei Süskind auftauchenden Motive funktionieren. Es wird ein reißerischer Kriminalfall vor einem historisch interessanten Hintergrund erzählt, ausgestattet mit einem faszinierenden Personenarsenal. Mit all diesen Dingen kann auch der Film punkten. Er ist leidlich spannend erzählt, glänzt mit einer opulenten Ausstattung und weist eine Reihe exzellenter Darstellerleistungen auf.
Tykwer scheitert allerdings an der Ausformung seines Hauptcharakters. Warum aus dem jugendlichen geruchsorientierten Sonderling Grenouille plötzlich ein frauenmordendes Monster wird, versäumt der Film hinreichend zu erklären. Tykwers "Parfüm" ist nicht an seiner Größe gescheitert - der Film verschlang über 50 Millionen Euro Produktionskosten - auch nicht an mangelndem handwerklichen Können Tykwers oder an schlechten Schauspielern. Die schwierige Annäherung an die Faszination der Themen Düfte und Riechen gelingt beim Lesen eines Buches wesentlich leichter. Im Kino mit seinen audiovisuellen Überwältigungsmechanismen hingegen ist die Beschäftigung mit dem Sinnesorgan Nase zum Scheitern verurteilt. So ist die Literaturverfilmung des Erfolgsromans "Das Parfum" letztendlich an seiner fehlenden Sinnlichkeit gescheitert.