Todesstrafen im Mordfall Khashoggi verhängt
23. Dezember 2019Drei weitere Angeklagte wurden wegen "Verschleierung des Verbrechens" zu Haftstrafen von insgesamt 24 Jahren verurteilt. Zwei ranghohe Berater von Kronprinz Mohammed Bin Salman seien entlastet worden, teilte die Staatsanwaltschaft in Riad mit.
Konkret handelt es sich um den Vertrauten des Kronprinzen und Regierungsmitarbeiter Saud al-Kahtani. Er war zuvor beschuldigt worden, die Tat mit organisiert zu haben. Laut Staatsanwaltschaft wurde er befragt, mangels Beweisen für seine mögliche Verwicklung dann aber nicht angeklagt. Auch Mohamed al-Otaibi, saudischer Generalkonsul in Istanbul zur Zeit des Mordes, sei nicht angeklagt worden. Augenzeugen hätten bestätigt, dass er an besagtem Tag frei hatte.
Der Regierungskritiker Jamal Khashoggi war im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Spezialkommando aus Riad brutal getötet worden. Noch immer ist unklar, wer den Befehl für den Mord gab. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman übernahm die Verantwortung für die Tat, bestritt aber, die Tötung angeordnet zu haben.
In einem Tweet des saudischen Außenministeriums hieß es nun, Khashoggi möge "in Frieden ruhen". "Die Ermittlungen haben gezeigt, dass es zunächst keine Absichten zum Mord gab", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bei einer Pressekonferenz. Erst als der Leiter des "Vermittlungsteams" im Konsulat erkannt habe, dass er die "Verhandlungen" mit Khashoggi nicht an einem "sicheren Ort" fortsetzen könne, sei es zum Mord gekommen. Die Entscheidung, den Kolumnisten der "Washington Post" zu töten, sei erst im Konsulat gefallen.
Namen der Verurteilten unbekannt
Der Prozess gegen insgesamt elf - namentlich nicht genannte - saudische Männer lief in Riad seit Januar und endete nun nach zehn Anhörungen. Khashoggis zwei Söhne und ihre Anwälte sowie Vertreter der fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat (USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China) und der Türkei erschienen zu den Anhörungen. Gegen alle Urteile kann Berufung eingelegt werden. Die Namen der Verurteilten werden erst öffentlich gemacht, wenn der Fall abschließend verhandelt ist und die Urteile endgültig sind.
Kritik an den Urteilen überwiegt
Die UN-Sonderberichterstatterin zu dem Fall, Agnès Callamard, kritisierte das Urteil als "Farce". Sie verglich den Mord mit dem an der Journalistin Caruana Galizia in Malta im Oktober 2017. Allein die Tatsache, dass mindestens 24 Stunden vor der Tat ein Gerichtsmediziner Teil des Tötungs-Teams gewesen sei, deute auf frühzeitige Planung hin.
Ein Sprecher von UN-Generalsekretär Antonio Guterres betonte, es sei weiterhin eine unabhängige Untersuchung des Mordes nötig. Es müsse sichergestellt werden, dass alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Die türkische Regierung erklärte, die Urteile erfüllten nicht die Erwartungen der Türkei. Lob kam hingegen aus den USA. Die Urteile seien ein wichtiger Schritt, um die Verantwortlichen für das Verbrechen büßen zu lassen, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter der Regierung in Washington.
"Verschleierung der Details"
Menschenrechtsorganisationen hatten den saudischen Behörden vorgeworfen, eine glaubhafte Aufarbeitung des Falls zu verhindern und keinen Zugang zum Verfahren zu ermöglichen. Human Rights Watch sprach etwa von "Verschleierung" der Details. Es sei nicht klar, ob die Angeklagten Zugang zu angemessenen Verteidigern und Chancen auf ein faires Verfahren hätten, teilte Amnesty International im Oktober zum ersten Jahrestag des Mordes mit. Unbekannt sei auch, wo sich die Überreste Khashoggis befinden und ob diese seiner Familie übergeben worden seien.
Die Verlobte des ermordeten Jamal Khashoggi hat den USA mit Blick auf das Verbrechen an ihrem Partner schwere Versäumnisse vorgeworfen. "Die Reaktion Trumps hat mir das Herz gebrochen", sagte Hatice Cengiz der "Welt" (Samstag). "Die US-Regierung hatte eine Gelegenheit, die Werte zu verteidigen, für die Amerika steht, Menschenrechte und Meinungsfreiheit. Stattdessen haben sie vorgezogen zu schweigen und zu helfen, die Aktion zu vertuschen."
Aus Sicht von US-Präsident Donald Trump wurde der Vorfall tiefgründig untersucht. Saudi-Arabien sei ein wichtiger Handelspartner, hatte er im Juni gesagt. Wenn die USA mit ihnen keine Geschäfte machten, dann würden dies die Russen oder Chinesen tun.
ni/rb (afp, dpa)