Tibetischer Fußball-Profiklub schmeißt hin
9. Juni 2020Der einzige tibetische Profiklub in China wirft das Handtuch. Die in Hongkong erscheinende Zeitung "South China Morning Post" berichtet, die Spieler, Trainer und Angestellten von Lhasa Chengtou seien bereits in der vergangenen Woche darüber informiert worden, dass der Klub aufgelöst werde. Grund sei, dass der chinesische Fußballverband CFA zum wiederholten Male den Antrag des Vereins abgelehnt habe, Heimspiele in Lhasa austragen zu dürfen. Die Luft in der Himalaya-Region ist für die anderen Mannschaften einfach zu dünn.
Bis zu 30 Prozent werden höhenkrank
Das Stadion liegt auf 3650 Metern Meereshöhe. Dort ist der Sauerstoffpartialdruck – der Druck, mit dem der Sauerstoff in die Lungen gepresst wird – um etwa ein Drittel niedriger als auf Meereshöhe. Die Folge: Zwischen 20 und 30 Prozent der Menschen, die nicht akklimatisiert sind, werden in dieser Höhe höhenkrank. 2007 hatte der Fußball-Weltverband FIFA wegen dieser Gefahr internationale Spiele über 2500 Meter Meereshöhe verboten, später dann die Grenze auf 3000 Meter heraufgesetzt. Nach Protesten des südamerikanischen Fußballverbands CONMEBOL wurde das Verbot 2008 jedoch wieder gekippt.
Alle Viertelstunde Sauerstoffpause
Lhasa Chengtou war 2017 als Amateurverein gegründet und ein Jahr später in einen Profiklub umgewandelt worden. 2019 schaffte Lhasa den Aufstieg in die "China League Two", die dritthöchste Spielklasse nach der "Chinese Super League" und der "China League One". Schon damals verweigerte die CFA dem Verein das Heimrecht in Lhasa. "Heimspiele" wurden daraufhin zunächst in Huizhou im Osten Chinas gespielt, rund 2500 Kilometer Luftlinie von Lhasa entfernt, später dann in Deyan in Zentralchina, immer noch etwa 1300 Kilometer Luftlinie entfernt.
Nach Informationen der staatlichen chinesischen Zeitung "Global Times" bestritt Lhasa - damals noch als Amateurverein - nur zwei Spiele in der Provinzhauptstadt. Alle 15 Minuten wurden die Partien unterbrochen, damit die Spieler Flaschensauerstoff atmen konnten.
Viele Klubs ziehen sich zurück
Der tibetische Verein ist bereits der 17. Fußball-Profiklub in China, der sich vor dem wegen der Corona-Krise verschobenen Saisonstart zurückzieht. Die meisten anderen Vereine hatten dafür finanzielle Gründe angegeben. Das gelte jedoch nicht für Lhasa Chengtou, sagte ein Sprecher des Vereins, der von der staatlichen Gesellschaft für Bauinvestitionen in der Stadt finanziert wird.
Auch politische Gründe spielen offenbar keine Rolle bei der Entscheidung des Klubs, sich aufzulösen. Nach einer Militärinvasion hatte China 1951 das vorher unabhängige Tibet zu einem Teil des chinesischen Staatsgebiets erklärt. Allein in Indien leben heute rund 100.000 Exiltibeter, darunter der Dalai Lama, früher nicht nur das geistliche, sondern auch weltliche Oberhaupt in Tibet.