Thomas Müller wieder auf allen Kanälen
19. Mai 2021Es gibt den alten Witz, dass sich Thomas Müller gar keine Muskelverletzung zuziehen kann, weil er ja kaum über Muskeln verfüge. Diese Behauptung stimmt natürlich nicht - trotz seiner hageren Statur und seiner dünnen Beine. Und der 31-Jährige musste entgegen aller Behauptungen sogar mal aussetzen wegen zweier Muskelfaserrisse. Neun Spiele insgesamt verpasste Müller aufgrund dieser Verletzungen seit seinem Bundesliga-Debüt im Jahr 2008 - eine Zahl, die manch ein Profi in jeder einzelnen Saison beklagt.
Thomas Müller scheint unverwüstlich zu sein. Allein in der Bundesliga hat er 382 Spiele (Stand: 18.5.2021) absolviert, dabei 129 Tore erzielt und 169 Vorlagen gegeben. Die Aussage von Ex-Bayern-Coach Louis van Gaal ("Müller spielt immer") haben sich auch alle weiteren FCB-Trainer zu Herzen genommen - bis auf Niko Kovac, der allerdings auch nur eine Saison an der Seitenlinie der Münchener stehen durfte. Alle übrigen Trainer beim Rekordmeister haben enorm von der ungeheuren Flexibilität und der besonderen Spielauffassung Müllers profitiert.
Müller entdeckt neue Räume
Er gilt als derjenige, der die Räume auf dem Spielfeld findet, selbst wenn sie sich noch gar nicht geöffnet haben. Müller ahnt, was passiert, während die anderen noch im Hier und Jetzt gefangen sind. All das macht er stets im Dienste der Mannschaft und versucht, seine Mitspieler in Szene zu setzen. Zudem führt er Teamgefährten mit lautstarken Kommandos. Gerade in Zeiten der Pandemie, in denen die Zuschauer in den Stadien fehlten, ist das nicht zu überhören.
"Wenn es einen verlängerten Arm des Trainers gibt, dann ist er das", schwärmt der aktuelle Bayern-Trainer Hansi Flick von Müller. Auch Bundestrainer Joachim Löw will sich diese Stärken nun doch wieder zu eigen machen. Müller ist bei der EURO 2020 - die coronabedingt erst ein Jahr später ausgetragen wird - mit von der Partie.
Dabei war er eigentlich schon aussortiert worden. Jener Müller, der bei seiner ersten WM 2010 in Südafrika mit fünf Toren sofort Torschützenkönig wurde. Derjenige Müller, der mit seinen ebenfalls fünf Treffern in Brasilien großen Anteil daran hatte, dass die Nationalmannschaft 2014 Weltmeister wurde. Aber auch jener, der bei der WM 2018 in Russland mitsamt der gesamten Mannschaft bereits in der Vorrunde unterging.
Vertrauen in Müller
Löw weiß um die Freiheitsliebe Müllers auf dem Feld, die er im Sinne des Teams ausleben muss, um seine Qualitäten voll entfalten zu können. In München, und nicht nur unter Flick, genießt Müller so viele Freiheiten, wie sie wohl nur wenige Spieler im Profifußball erhalten. Es hat sich schon lange in der Liga herumgesprochen, dass nicht zuletzt dieses Vertrauen dafür sorgt, dass Müller auch mit 31 Jahren noch immer mit dem gleichen Elan, Spaß und unbändigen Erfolgshunger spielt wie ein junger Mann.
Bei den sieben Titeln des FC Bayern in der Ära Flick ging Müller stets voran - sowohl sportlich als auch verbal. "Radio Müller" ist schließlich der Spitzname des ur-bayerischen Allrounders. Weil er sowohl Unterhalter, Mahner, Jubler als auch ernsthafter Gesprächspartner sein kann. Müller ist eben immer auf Sendung, er ist beliebt bei den Mitspielern. "Das ist schon ein bisschen verrückt, dass wir es jedes Jahr schaffen, dieses Potential, das im Kader steckt, über die Saison hinweg abzurufen. Man ist da auch dankbar gegenüber den Mitspielern", sagt Müller.
Von all diesen Attributen will auch Löw nochmal profitieren. Der personelle Umbruch, den der Bundestrainer vor knapp drei Jahren eiligst angeordnet hatte, wird nun doch stückweise zurückgeführt.
Nicht nur die Hoffnungen Löws liegen auf Müller. Doch mit hohen Erwartungen hat Müller zu leben gelernt. Über 660 Pflichtspiele in allen Wettbewerben hat Müller in seiner Zeit beim FC Bayern absolviert, seine Erfolge sind einzigartig. Zehnmal Deutscher Meister (Rekord), zweimal Triple-Gewinner, und, und, und. "Wenn man zurückblickt, als ich 2009 das erste Mal so richtig in die Profimannschaft reingeschnuppert habe und die Entwicklung meiner Karriere losging, ist das natürlich Wahnsinn“, sagt Müller.
Thomas Müller wirkt, als sei er eigentlich schon immer in München dagewesen. Gemeinsam mit seinem Namensvetter, Stürmer-Legende Gerd Müller, drehte er einst gemeinsam einen Werbespot. Jetzt sendet Thomas Müller wieder auf allen Kanälen.