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Thierry Mugler: Designer der Weltraumgöttin

Sabrina Cooper
2. März 2019

Visionärer Modeschöpfer, Regisseur, Fotograf, Parfümeur: Der französische Designer Thierry Mugler ist zurück im Rampenlicht. Eine neue Retrospektive feiert ihn und die Frauen als starke, glamouröse Superheldinnen.

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Kombobild Thierry Mugler

Das Museum of Fine Arts in Montreal feiert Thierry Muglers Karriere als Modeschöpfer, Regisseur und Parfümeur mit "Thierry Mugler: Couturissime". Es ist die erste Retrospektive, die sich gänzlich seinem Werk widmet. 

Betrachtet man die Ausstellungsstücke - fast 150 Kleidungsstücke, Illustrationen, Fotos und Videos - wird die Verbindung zwischen Heldin-Sein und Hyper-Weiblichkeit in jeder seiner Kreationen deutlich: Sei es in seinen Entwürfen, die skulpturale Silhouetten mit breiten Schultern betonen oder die spielerische Laufsteg-Theatralik, die im Video für George Michaels Single "Too Funky" aus dem Jahr 1992 auftaucht. 

"In Muglers Welt waren alle Frauen stark, unabhängig und brauchten keine Männer", sagt der Kurator der Ausstellung Thierry-Maxime Loriot im DW-Interview. "Muglers Mode im heutigen sozialen Kontext zu verstehen, ist eine schöne Botschaft für eine junge Generation Frauen - wie seine Entwürfe Frauen Tribut zollen, wie er sie mit seiner Mode stärken und ihnen die Freiheit geben wollte, zu sein wer auch immer sie sein wollen."

Thierry Mugler in weißem Hemd und karierter Hose zwischen seinen Entwürfen auf Schaufensterpuppen
Thierry Mugler zwischen seinen EntwürfenBild: Max Abadian

Deutsche Wurzeln in Frankreich

Manfred Thierry Mugler wurde 1948 in Straßburg geboren. Er wuchs mit einer "sehr autoritären, altmodischen deutschen Erziehung auf", sagt Loriot. Familiäre Zuneigung? Fehlanzeige. Seine Mutter war, wie Mugler selbst beschrieb, "eine Künstlerin, Komödiantin und Tragikerin, eine Diva und ein Superstar." Mit breiten Schultern, 175 Zentimeter groß und mit flammend rotem Haar stach sie heraus und machte einen starken Eindruck auf Mugler während seiner prägenden Jahre. So wurde sie seine ursprüngliche Muse.

"Für seine Mutter standen das Aussehen und ihre Couture-Garderobe an erster Stelle: Immer umwerfend, war sie eine Mischung aus den Inkarnationen von Rita Hayworth und Betty Grable. Ihre Einkäufe erledigte sie auf dem lokalen Markt, den jungen Thierry im Schlepptau, mit feuerroten, hochhackigen Stiefeln und gekleidet in einen Luchs-Mantel", sagte Loriot.

In Muglers Jugend spielte auch die Musik eine entscheidende Rolle: Er hörte Komponisten wie Mozart und Beethoven. Als er neun Jahre alt war, begann er klassischen Tanz zu lernen. Er war 14, als er seinen ersten Vertrag als Tänzer beim Opéra national du Rhin unterschrieb. 

Das Ballett und seine Kostüme erlaubten es ihm, ein Verständnis für Anatomie, Bewegung und die Funktionalität von Stoffen zu entwickeln. "Der Tanz hat mir eine Menge über Körpersprache beigebracht. Die Bedeutung der Schultern, wie man den Kopf halten, wie man laufen und die Beine platzieren sollte. Diese Empfindungen haben mir dabei geholfen, einen wesentlichen Modestil zu kreieren, der sowohl funktionell als auch raffiniert ist. Mode ist wie eine tägliche, persönliche Perfomance", sagte Mugler einmal. 

Rapperin Cardi B in einem schwarz-rosafarbenen Kleid, das sich oben wie eine Muschel öffnet. dazu trägt sie lange rosafarbene Handschuhe.
Rapperin Cardi B hat Muglers Vintage Robe "Geburt der Venus" von 1995 bei den Grammys 2019 getragenBild: picture-alliance/Everett Collection/Tsuni

Paris als Zufluchtsort

Er tanzte sechs Jahre professionell bei verschiedenen Balletten, inklusive in Aufführungen von "Schwanensee". Während seines Studiums an der École nationale supérieure des arts décoratifs in Straßburg begann er, seine eignen Kleidungsstücke zu entwerfen. In seiner Kindheit hätten ihm keine Klamotten gestanden und so hätte er damals bereits seine eigenen zusammengeschustert. Das sei ein wesentlicher Teil seiner Identitätsfindung gewesen, erzählt Loriot. 

Paris wurde für Thierry Mugler zu einem Zufluchtsort in jungen Jahren, und obwohl er anfangs dorthin zog, um bei Tanzkompanien vorzutanzen, fokussierte er sich schnell auf seine Arbeit als Designer. Er erkannte, dass er mit Mode seinen Lebensunterhalt verdienen konnte, als Dorothée Bis und Cacharel seine Entwürfe kauften. 

Nach verschiedenen Mode-Jobs und Aufenthalten in London, Amsterdam, Mailand und Barcelona, gründete er sein prägendes Label in Paris im Jahr 1973, das die Aufmerksamkeit von Warenhäusern aus London und New York auf sich zog. Aus strategischen Gründen gab er seinen Vornamen Manfred auf, den er seit 2007 aber wieder nutzt. 

Model Toni Garrn in einem hochgeschlossenen schwarzen Plastikkleidungsstück von Mugler.
Model Toni Garrn posiert für die Vogue in einem Kostüm von Thierry Mugler Bild: Karl Lagerfeld

Mugler hat seine Verbindungen zum Tanz und Theater nie vergessen. Modekritiker ziehen oft Parallelen zwischen Richard Wagners Opern und Muglers Kollektionen. "Aus Wagners Opern trieben Samtumhänge mit enormen Stehkragen, lederne, militärische Schulterpatronengurte über Hosen, enge Jacken und hohe Stiefel herüber", schrieb ein Journalist über Muglers Kollektion aus dem Jahr 1983.

Wie Muglers Modeshows zeigen Wagners Opern starke, weibliche Charaktere mit einer entscheidenden Rolle, von der cleveren Kriegerin Brünnhilde aus "Der Ring der Nibelungen" bis zur leidenschaftlichen Prinzessin in "Tristan und Isolde". 

"Ein Hauch von Fantasie und Fetischismus"

Die Designs, die bei der Ausstellung "Couturissime" gezeigt werden, offenbaren, was eine "Glamazone" - eine glamouröse, weibliche Kriegerin - tragen könnte: anschmiegsame Konturen mit kantigen Schultern und betont enge Taille. 

Ohne Angst vor Experimenten hat Mugler stoffliche Komponenten wie Vinyl, Pelzimitat, Latex und Metall in seine Designs integriert. Sein ikonisches Motorrad-Korsett sticht mit seinen Rückspiegeln, die die Linien eines Büstenhalters verlängern, Lenkern, die aus der Hüfte herauskommen und der Motorhauben-Dekoration auf der Brust, besonders heraus. 

Für die "I Am... World Tour" der Sängerin Beyoncé hat Mugler die Kostüme kreiert. Diese Zusammenarbeit war nicht das erste Mal, dass Mugler Stars aus Hollywood und der Musikszene ausstattete. Er hat auch Demi Moores unvergessliches schwarzes Kleid für den Film "Ein unmoralisches Angebot" (1993) gestaltet. Diana Ross und ihre Tochter, Tracee Ellis Ross, sind beide für Mugler über den Laufsteg gelaufen, und er hat eine beeindruckende Reihe an Pop-Ikonen eingekleidet - darunter David Bowie, Celine Dion, Liza Minelli und Lady Gaga. 

Bei einem VIP-Dinner im Montreal Museum of Fine Arts vor der Eröffnung der Ausstellung am 2. März, war auch Social Media Star Kim Kardashian unter den Gästen und präsentierte einen von Muglers älteren Entwürfen. 

Mugler hat auch mit prominenten Fotografen wie Herb Ritts, Peter Lindbergh und Helmut Newton zusammen gearbeitet. Im Jahr 1976 hat Newton eine Werbekampagne für Mugler fotografiert. Genervt von den ständigen Eingriffen des Designers, sagte Newton zu ihm: "Wenn du so sicher darüber bist, was du willst, warum machst du es nicht selbst?" Mugler übernahm dann tatsächlich das Zepter und fotografierte seine Mode- und Parfümkampagnen selbst. 

Ähnlich hat auch Loriot seine eigene Arbeitsbeziehung mit Mugler beschrieben, während sie "Couturissime" zusammenstellten. Auch dabei konnte der Designer seine eigenen Ideen nicht loslassen, trotzdem genossen beide den Prozess: "Er war tatsächlich sehr interessiert, darüber nachzudenken, wie er seine Kleidungsstücke modifizieren und umsetzen würden."

Mugler ist ein Mann, der sich die Kunst vom jungen Alter an und in den verschiedensten Bereichen zu eigen gemacht hat, seine Daseinsberechtigung liegt aber vor allem in seinen Designs für dynamische Frauen. In seinen eigenen Worten: "Die Mugler-Frau ist eine Gewinnerin, die das Kommando über ihr Aussehen und ihr Leben hat. Sie ist frei und selbstsicher. Sie hat Spaß."

Die Ausstellung "Thierry Mugler: Couturissime" ist vom 2. März bis zum 8. September 2019 im Montreal Museum of Fine Arts zu sehen sein.