Testphase für Friedensvertrag beginnt bald
21. Februar 2020"Die Reduzierung der Gewalt wird am 22. Februar beginnen und eine Woche dauern", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Landes, Dschawed Faisal. Präsident Aschraf Ghani bestätigte wenig später in einer live übertragenen Fernsehansprache die Angaben.
Sollte diese Woche der reduzierten Gewalt eingehalten werden, wäre das ein wichtiger Schritt in dem seit mehr als 18 Jahren dauernden Konflikt in Afghanistan und könnte den Weg zu einem dauerhaften Friedensabkommen ebnen. Die US-Truppen äußerten sich zunächst nicht zu der angekündigten partiellen Feuerpause. Aus den Reihen der radikalislamischen Taliban wurde diese hingegen bestätigt.
Eine Reduzierung der Gewalt würde zeigen, dass die Taliban in der Lage sind, ihre Kämpfer zu kontrollieren. Überdies wäre es ein Zeichen des guten Willens vor Unterzeichnung eines Friedensabkommens mit den USA, das unter anderem einen Abzug von US-Soldaten vorsieht. Einer Vereinbarung zufolge soll sich deren Zahl innerhalb von 135 Tagen von derzeit 13.000 auf 8.600 verringern. Im Gegenzug für den Truppenabzug sollen die Taliban Garantien dafür geben, dass sie das Terrornetzwerk Al-Kaida und die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) bekämpfen.
Die USA verhandeln seit mehr als einem Jahr mit den Taliban über einen Abzug ihrer Soldaten im Gegenzug für Zugeständnisse und Sicherheitsgarantien der Taliban. Nach Angaben afghanischer Beamter könnte das Abkommen am 29. Februar in Doha unterzeichnet werden, sollte die geplante Reduzierung der Gewalt realisiert werden.
Am Freitag bestätigte US-Außenminister Mike Pompeo diesen Termin und die Vereinbarung über eine Minderung der Gewalt. "Nach Jahrzehnten des Konflikts haben wir uns mit den Taliban auf eine signifikante Reduzierung der Gewalt geeinigt", schrieb er auf Twitter. Das sei ein wichtiger Schritt auf einem langen Weg zu Frieden, und er rufe alle Afghanen dazu auf, diese Möglichkeit zu nutzen.
Bald innerafghanische Verhandlungen?
Der Verhandlungsführer auf der amerikanischen Seite, Zalmay Khalilzad, rang den Taliban zudem die Zustimmung ab, innerhalb von 15 Tagen nach Unterzeichnung des Vertrags innerafghanische Verhandlungen über die politische Zukunft des Landes zu beginnen. Doch angesichts einer politischen Krise in Kabul ist unklar, inwieweit diese Verhandlungen realistisch sind.
Am Dienstag war nach fünf Monaten Wartezeit das Resultat der Präsidentenwahl vom September 2019 bekanntgegeben worden. Amtsinhaber Aschraf Ghani wurde von der Unabhängige Wahlkommission in Kabul zum Sieger erklärt. Sein Rivale Abdulllah Abdullah erkannte die Wahl allerdings nicht an und erklärte, eine eigene Regierung bilden zu wollen. Diese politische Krise könnte auch die geplante Unterzeichnung des Friedensabkommens in Gefahr bringen.
Hakkani gibt sich zuversichtlich
Erst am Donnerstag hatte der Taliban-Vizechef Siradschuddin Hakkani deutlich gemacht, dass er eine Chance für eine politische Lösung des Konflikts in Afghanistan sehe. "Wir stehen kurz vor der Unterzeichnung eines Abkommens mit den USA und sind fest entschlossen, jede einzelne Bestimmung umzusetzen", schrieb Hakkani in einem Beitrag für die "New York Times". Auch für innerafghanische Friedensgespräche sieht Hakkani Chancen auf Erfolg. "Wenn wir eine Einigung mit einem ausländischen Feind erzielen können, müssen wir in der Lage sein, innerafghanische Meinungsverschiedenheiten durch Gespräche zu lösen." Bei diesen angepeilten Gesprächen geht es vor allem um eine Neuverteilung der Macht am Hindukusch.
Hakkani schrieb weiter, dass mittlerweile jeder kriegsmüde sei und das Töten und Verstümmeln von Afghanen aufhören müsse. Hakkani ist der Chef des Hakkani-Flügels der Taliban, der für einige der grausamsten Anschläge in Afghanistan verantwortlich gemacht wird. Wie ein künftiges Afghanistan aussehen solle, das hänge von einem Konsensus aller Afghanen ab. "Befreit von Fremdherrschaft" könnten die Afghanen einen Weg finden, "ein islamisches System aufzubauen, in dem alle Afghanen gleiche Rechte haben", heißt es weiter. Die Rechte der Frauen, die "vom Islam gewährt würden - vom Recht auf Bildung bis zum Recht zu arbeiten", sollten zudem geschützt sein. Während des Taliban-Regimes von 1996 bis 2001 regierten die Islamisten gemäß ihrer harschen Auslegung des islamischen Rechts mit großer Brutalität. Die Meinungsfreiheit war stark eingeschränkt und Frauen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.
Seltene Wortmeldung
Der stellvertretende Taliban-Chef, der auch Gründer des Hakkani-Netzwerks ist, hat sich bislang selten öffentlich geäußert. In der Regel tat er dies über Audiobotschaften auf Paschtunisch. Zuletzt wurde eine solche Botschaft im Juni 2017 auf einer Website der Taliban veröffentlicht.
Die Veröffentlichung des Meinungsbeitrags durch die "New York Times" stieß auf Kritik. Die Zeitung habe dem "berüchtigtsten Terroristen der Welt" geholfen, seine Botschaften zu verbreiten, schrieb Saad Mohseni, Vorsitzender des Medienkonzerns, dem der größte afghanische Nachrichtensender Tolo gehört, im Onlinedienst Twitter.
kle/as (afp, epd, rtre, dpa)