Terrormiliz ruft Kalifat aus
30. Juni 2014Drei Wochen nach Beginn ihres Vormarsches im Irak hat die radikal-sunnitische Gruppe die Schaffung ihres Kalifats in einer Audiobotschaft mitgeteilt, die über den Internet-Dienst Twitter verbreitet wurde. Das Kalifat, eine vor fast einhundert Jahren verschwundene islamische Regierungsform, werde sich von der Region Aleppo im Norden Syriens bis zur Region von Dijala im Osten des Iraks erstrecken, teilte ISIS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani in der Botschaft mit. Damit bezog er sich auf die Regionen, welche die Extremisten in den vergangenen Wochen und Monaten in beiden Ländern unter ihre Kontrolle gebracht haben.
Umbenennung in "Islamischer Staat"
Die Errichtung des Kalifats sei bei einer Sitzung der Schura (des Rates) der Organisation beschlossen worden, sagte al-Adnani. Nach seinen Angaben nennt sich die Gruppe fortan "Islamischer Staat" und nicht mehr "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIS). Das Kalifat sei "der Traum jedes Muslims" und "der Wunsch jedes Dschihadisten", meinte er weiter.
Erster Kalif des neuen Gottesstaates sei ISIS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi. Für alle Muslime sei es empfehlenswert, ihm Folge zu leisten, erklärte al-Adnani. Als Kalif wird in der islamischen Welt der Nachfolger des Propheten Mohammed als "Emir der Gläubigen" bezeichnet. Zwischen dem siebten und dem 16. Jahrhundert erlebte das Kalifat seine Blütezeit. Das letzte Kalifat hatte die türkische Regierung 1924 nach dem Ende des Osmanischen Reiches abgeschafft.
"Marsch auf Bagdad"
ISIS war ursprünglich ein Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida. In diesem Frühjahr kam es jedoch zum Bruch. Nach Einschätzung von Experten kämpfen beide Gruppen nun um die Vormachtstellung in der Dschihad-Bewegung.
Erklärtes Ziel der ISIS-Terroristen, die in den vergangenen Wochen im Irak weite Teile im Norden und Westen eingenommen haben, ist der Marsch auf die Hauptstadt Bagdad und die Errichtung eines grenzüberschreitenden Kalifats, in dem die weltliche und religiöse Führung in einer Hand liegt.
Obama warnt vor europäischen Dschihadisten
US-Präsident Barack Obama warnte unterdessen, dass europäische Dschihadisten eine Gefahr für die USA darstellen. Einige Europäer gingen aus Sympathie mit den sunnitischen Aufständischen nach Syrien oder in den Irak, sagte Obama im US-Fernsehsender ABC-News. Dort sammelten sie Kampferfahrung. "Dann kommen sie zurück. Sie haben europäische Pässe. Sie brauchen daher kein Visum, um in die Vereinigten Staaten einzureisen", warnte der US-Präsident.
Es sei daher wichtig, dass die USA ihre Geheimdienst- und Überwachungsarbeit in den betroffenen Ländern verbesserten. Spezialkommandos spielten dabei eine große Rolle. Es werde Schläge gegen Organisationen geben, die die USA gefährden könnten. Obama hatte den Einsatz von Bodenkampftruppen im Irak ausgeschlossen, die Möglichkeit für Luftangriffe hielt er sich aber offen.
cr/gmf (afp, dpa, rtr, ap)