Tausende demonstrieren gegen Bolsonaro
3. Oktober 2021Regierungskritische Kundgebungen wurden aus mindestens 20 der 26 Bundesstaaten gemeldet, berichtete das Nachrichtenportal "G1". Von Seiten der Organisatoren hieß es, Demonstrationen habe es in rund 200 Städten gegeben.
Zwischen dem Amazonas-Bundesstaat Roraima im Norden, wo viele Indigene leben, und dem von deutschen Einwanderern geprägten Rio Grande do Sul forderten die Demonstranten unter anderem die Amtsenthebung von Präsident Jair Bolsonaro, mehr Impfstoffe gegen das Coronavirus und Arbeitsplätze in Zeiten der Pandemie. Zu sehen waren Banner und Transparente mit Aufschriften wie "Bolsonaro raus" und "Bolsonaro Völkermörder".
Allianz gegen Bolsonaro
Zu den Protesten aufgerufen hatten soziale Bewegungen und Gewerkschaften im Rahmen ihrer landesweiten Kampagne gegen Bolsonaro. Rund 20 Parteien, unter anderem die linke Arbeiterpartei PT und die konservativen PSDB und DEM beteiligten sich laut "G1" an den Demonstrationen, sodass Beobachter diese auch als Test für die Allianz gegen Bolsonaro werteten.
In Rio de Janeiro nahm der mögliche Präsidentschaftskandidat Ciro Gomes an einer Kundgebung teil. Später wollte er lokalen Medien zufolge auch noch auf einer Demonstration in São Paulo erscheinen.
Lula hält sich zurück
Der frühere brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der vermutlich schärfste Kontrahent Bolsonaros im Rennen um die Präsidentschaft bei der Wahl im kommenden Jahr, zeigte sich auf keiner der Protestveranstaltungen. Lula liegt einer Umfrage des Datafolho-Instituts von Mitte September in der Wählergunst deutlich vorn: 44 Prozent der Befragten würden ihm ihre Stimme gegen, während Amtsinhaber Bolsonaro nur auf 26 Prozent kommt.
Ebenfalls in der Kritik vieler Brasilianerinnen und Brasilianer steht der Präsident der Abgeordnetenkammer, Arthur Lira. Die Demonstranten bezeichneten ihn als "Komplizen", weil er sich beharrlich weigert, einen der fast 100 Anträge auf Amtsenthebung Bolsonaros anzunehmen. Nur dann könnte ein Verfahren gegen den Präsidenten eröffnet werden. Doch Lira gilt als treuer Verbündeter von Bolsonaro.
Corona-Leugner Bolsonaro
Der Rechtspopulist Bolsonaro hat das Coronavirus von Anfang an verharmlost und Schutzmaßnahmen sowie Einschränkungen abgelehnt. Auch den Sinn von Impfungen zieht er in Zweifel und hat mehrmals betont, dass er selbst noch nicht gegen Corona geimpft sei. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Corona-Krisenmanagement seiner Regierung läuft.
Brasilien ist mit fast 600.000 Corona-Toten nach den USA das weltweit am schlimmsten betroffene Land. Mehr als 21,5 Millionen Infektionen wurden registriert, Experten gehen aber von einer hohen Dunkelziffer aus.
Gesundheitsminister an Corona erkrankt
Unterdessen wurde bekannt, dass der brasilianische Gesundheitsminister Marcelo Queiroga nach einer Dienstreise mit Staatspräsident Bolsonaro nach New York erneut positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Auf Twitter teilte Queiroga mit, er habe keine Symptome und werde bald zurück sein.
Der Gesundheitsminister hatte mit Bolsonaro an der UN-Generaldebatte teilgenommen und sich dabei auch im UN-Hauptquartier in der US-Ostküstenmetropole aufgehalten. Zuvor war bereits ein weiteres Mitglied der Delegation positiv getestet worden.
Dies hatte auch ein Nachspiel für Bolsonaro. Die brasilianische UN-Delegation sollte für 14 Tage in Isolation, Bolsonaro und andere Mitglieder der Delegation blieben nach der Rückkehr nach Brasilien fünf Tage in Quarantäne. Unter anderem bei seinem Sohn, dem Abgeordneten Eduardo Bolsonaro, dessen Frau und der kleinen Tochter fielen nach eigenen Angaben in sozialen Medien Tests in der vergangenen Woche positiv aus.
mak/ack (dpa, afpe, rtre)