1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikTansania

Tansanias Opposition am Wendepunkt

18. Januar 2025

Tansania wird seit seiner Unabhängigkeit von der gleichen Partei regiert. Jetzt bringt sich die Opposition für die Wahlen im Oktober in Stellung. Dafür muss sie einen lange schwelenden Machtkampf beilegen.

https://p.dw.com/p/4pJ4T
Führung der Oppositionspartei CHADEMA Tundu Lissu und Freeman Mbowe nebeneinander an einem Tisch
Das Führungsduo der CHADEMA - Tundu Lissu (links) und Freeman Mbowe - steht sich am Dienstag bei den Wahlen zum Parteivorsitz gegenüberBild: Eric Boniface/DW

Die CHADEMA - Partei für Demokratie und Entwicklung - hat eine lange Geschichte. Gegründet wurde sie unmittelbar nachdem sich Tansania 1992 ein Mehrparteiensystem gab. Doch für einen Wahlsieg über die regierende CCM - Partei der Revolution - hat es bisher nie gereicht. Die nächste Gelegenheit steht im Oktober bevor, wenn die Bevölkerung über ihr Parlament und die Präsidentschaft abstimmt.

So gab sich der Parteivorsitzende Freeman Mbowe bemüht, seine Parteigenossen, die dieser Tage am Parteisitz in Daressalam zusammenkommen, auf einen entschlossenen - und geschlossenen - Kurs einzuschwören: "Wenn wir in Daressalam auseinandergehen, sollte unser Zusammenhalt stärker sein, als das gewöhnlich der Fall ist", forderte Mbowe vergangenen Donnerstag.

Freeman Mbowe geht an Fernsehkameras vorbei
Freeman Mbowe führt die CHADEMA seit 21 Jahren - und er will weitermachenBild: Eric Boniface/DW

Von Dienstag auf Mittwoch kommen die Mitglieder zusammen, um über den Vorsitz der CHADEMA abzustimmen. Im Rennen ist neben dem langjährigen CHADEMA-Vorsitzenden Mbowe auch sein Stellvertreter Tundu Lissu - und bei der Abstimmung geht es auch um die künftige Ausrichtung der Partei.

Parteivize Tundu Lissu will "junges Blut" für frische Ideen

Freeman Mbowe plädiert dafür, den bisherigen Kurs der Partei beizubehalten. Man solle die Erfolge nicht kleinreden. Sein Vize Lissu hingegen wirbt für grundlegende Veränderungen. Im DW-Interview beanstandet er, die Reichtümer der Partei würden der Basis in den Regionen nicht zugutekommen, sondern größtenteils am Parteisitz in der Metropole Daressalam bleiben.

Tundu Lissu im DW-Interview hinter einem Mikrofon
Parteivize Tundu Lissu (r.) fordert im DW-Gespräch mehr Chancen für den politischen NachwuchsBild: DW

Außerdem brauche die Partei eine klare Regelung für interne Machtwechsel. "Als wir 1993 angefangen haben, war in der Parteisatzung ein Ende für Ämter festgelegt. Das haben wir 2006 aufgehoben, weil die Partei klein war und es nicht ausreichend Menschen gab." Jetzt sei die Partei aber wieder gewachsen. "Es ist notwendig, dass wir ein besseres Vorgehen entwickeln, um sicherzustellen, dass wir junges Blut in den Führungsebenen der Partei bekommen." Nur so könnten auch neue Ideen und Strategien entstehen.

Regierungspartei in der Kritik - trotz internationalem Aufwind

Was beide Top-Kandidaten eint, ist der gemeinsame Gegner: Die Regierung von Präsidentin Samia Suluhu Hassan kommt in der CHADEMA nicht gut weg. "Wir dürfen niemals die Hoffnung aufgeben", sagt Mbowe. Es brauche neue Strategien, um Allianzen zu bilden - mit anderen Parteien, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft. "So können wir nationalen Druck aufbauen, um grundlegende Reformen in den Wahlgesetzen und der Verfassung zu erreichen und freie und faire Wahlen zu garantieren."

Schon vergangenen November gab es massive Kritik an der Durchführung der lokalen Wahlen. Einige CHADEMA-Kandidaten seien zu Unrecht ausgeschlossen worden. Zudem seien drei Parteimitglieder bei Vorfällen am Rande der Wahlen getötet worden. Die CHADEMA warf der Regierungspartei, die mehr als 98 Prozent der Stimmen erhalten hatte, Wahlmanipulation vor.

Dabei war Präsidentin Samia Suluhu Hassan mit einem Vertrauensvorschuss gestartet. Die bisherige Vizepräsidentin rückte 2021 an der Spitze nach, nachdem ihr Vorgänger John Pombe Magufuli zum Höhepunkt der Corona-Pandemie überraschend verstorben war. Magufuli, ein rigoroser Kämpfer gegen Korruption, hatte den zivilgesellschaftlichen Raum stark beschnitten und Tansania mit einer Politik der Corona-Leugnung international ins Abseits gestellt. Suluhu Hassan schickte sich an, diesen Kurs zu revidieren.

Entführungen und Unterdrückung

"Die Lage in Tansania ist beunruhigend", sagt die unabhängige politische Analystin Lovelet Lwakatare. Wirkliche Fortschritte seien unter Präsidentin Suluhu nicht erkennbar: "Wenn wir die Stimmen der marginalisierten Gruppen nicht hören, sollte uns das Sorge bereiten. Die Hauptaufgabe eines Staats ist es, seine Staatsbürger zu beschützen. Wenn sich Tansanier in ihrem eigenen Land unsicher fühlen, ist das besorgniserregend."

Gerade erst sorgte ein Fall im Nachbarland Kenia für Schlagzeilen: In Nairobi wurde vergangenen Sonntag die tansanische Aktivistin Maria Sarungi Tsehai entführt. Durch glückliche Umstände und ein entschiedenes Auftreten der Menschenrechtsorganisation Amnesty International kam sie Stunden später frei. "Ich bin eine von ganz wenigen, die so etwas erleben und noch einmal davonkommen", sagte Sarungi tags darauf im DW-Interview. "In Tansania gibt es viele Menschen, die bis heute als vermisst gelten."

Die Menschenrechtsaktivistin zeigte sich entschlossen, mit ihrer Arbeit fortzufahren. Sie mache nichts Verbotenes, betonte sie: "Ich kämpfe für die Menschenrechte, für das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Pressefreiheit und gute Regierungsführung. Jede Regierung sollte sich glücklich schätzen, mit mir zusammenzuarbeiten."

Stattdessen vermuten manche Beobachter, die Entführung im Nachbarland könnte gar auf Anordnung der Regierung in Dodoma erfolgt sein. Zumindest sei es auffällig, dass diese sich nach dem Vorfall nicht zu Wort gemeldet habe. Auch wenn Analystin Lwakatare die mögliche Verwicklung der Regierung nicht kommentiert, sieht sie doch die Verantwortung "zu 100 Prozent" in Dodoma. "Es ist die Verantwortung der Regierung, uns zu beschützen", sagt sie der DW. "Wenn Tansanier nicht geschützt sind - wie können wir erwarten, weiter ein Teil der internationalen Gemeinschaft zu sein?"

Ein Kandidat wie kein zweiter

Geradezu systematische Entführungen und Verhaftungen ihrer Gegner - es sind harte Vorwürfe, denen sich Präsidentin Samia Suluhu Hassan und ihre regierende CCM stellen müssten. Doch der Gegenwind habe zuletzt nachgelassen, sagen Beobachter. Lovelet Lwakatare glaubt, ein Führungswechsel bei CHADEMA könnte daran etwas ändern: "Der Vorsitzende Mbowe hat großartige Arbeit beim Aufbau der CHADEMA geleistet. Aber es ist höchste Zeit, dass wir eine lebendige Opposition mit neuen Ideen und neuen Methoden bekommen, die die Regierung in die Verantwortung nehmen kann."

Präsidentin Samia Suluhu Hassan inspiziert die Ehrengarde im Uhuru-Stadion
Präsidentin Samia Suluhu Hassan wollte mit den Fehlern ihres Amtsvorgängers aufräumenBild: Tanzanian State House Press

Tundu Lissu sei ein Kandidat, der den Mächtigen wie kein zweiter entschieden und angstfrei entgegentrete - er verkörpere einen "Mut, den der Kontinent lange nicht gesehen hat." 2017 überlebte der damalige Abgeordnete nur knapp ein Attentat: Er wurde in Dodoma von zahlreichen Kugeln durchbohrt. Wochen zuvor hatte Lissu angegeben, vom Geheimdienst verfolgt zu werden. Nach einem Krankenhausaufenthalt in Belgien und zahlreichen Operationen kehrte er 2023 nach Tansania zurück. Unklar bleibt, wie sich Lissu im Falle einer Wahlniederlage verhalten wird. Bisher hatte er angegeben, er wolle der CHADEMA auch in diesem Fall treu bleiben.

Klar ist: Wer das Rennen um den Parteivorsitz macht, hat deutlich bessere Chancen, im Oktober für die CHADEMA als Präsidentschaftskandidat anzutreten.

Mitarbeit: George Njogopa und Florence Majani (Daressalam), Thelma Mwadzaya (Nairobi)