Taliban verkünden Rückzug aus Kundus
13. Oktober 2015Der Abzug der Milizionäre aus der nordafghanischen Provinzhauptstadt erfolge aus rein taktischen Gründen, so die Erklärung der Taliban. Mit dem Rückzug aus dem Zentrum von Kundus und den eroberten Regierungsgebäuden wolle man verhindern, dass noch mehr "Zivilisten Opfer von US-Luftangriffen" würden und "langfristig Verluste an eigenen Kämpfern, Waffen und Ausrüstung vermeiden". Man sei aber jederzeit in der Lage, die Stadt wieder einzunehmen, brüsteten sich die Extremisten.
Nach dem Fall von Kundus Ende September hatte es tagelang heftige Gefechte gegeben. Ungeachtet der Meldungen der afghanischen Armee über eine Rückeroberung hielten die Kampfhandlungen in einzelnen Stadtteilen an. Polizeichef Kasim Dschangalbagh sagte, Kundus sei nun frei von Taliban, räumte aber ein, dass "in Randgebieten noch Säuberungsaktionen" im Gange seien.
Während die Schlacht um Kundus - wo früher auch die Bundeswehr stationiert war - allmählich abflaute, eskalierten die Gefechte um Ghasni, im Osten des Landes. Zunächst konnten afghanische Soldaten den Angriff der Extremisten am Montag abwehren, doch die Behörden rechneten mit neuerlichen Attacken. Der stellvertretende Gouverneur der Provinz Ghasni, Mohammed Ali Ahmadi, sagte der Nachrichtenagentur AFP, 2000 Taliban seien bis auf eine Distanz von nur noch fünf Kilometern vorgestoßen.
Die Offensiven der Taliban haben auch letzte Hoffnungen auf einen relativ geordneten Übergang in dem Hindukusch-Staat nach dem Abzug der NATO zerschlagen. Der Druck auf Präsident Ashraf Ghani nimmt zu.
Nach Einschätzung der Vereinten Nationen sind die Radikalislamisten wieder so stark geworden wie nach dem Sturz des Regimes 2001. Im Westen wird daher auch über eine Verlängerung der Ausbildungs- und Unterstützungsmission für die afghanischen Streitkräfte nachgedacht.
Bei dem Kampf um die Wiedereroberung von Kundus war eine Klinik der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) von US-Kampfjets bombardiert worden. Mindestens 22 Menschen wurden getötet. Die USA kündigten Entschädigungszahlungen an die Familien der Opfer an. "Ärzte ohne Grenzen" spricht von einem "Kriegsverbrechen" und verlangt eine unabhängige internationale Untersuchung.
SC/sti (rtre, dpae, epd)