Taliban töten drei Bundeswehrsoldaten
2. April 2010In stundenlangen Kämpfen mit den radikal-islamischen Aufständischen im Unruhedistrikt Char Darah nahe des deutschen Feldlagers Kundus wurden am Freitag (02.04.2010) drei deutsche Soldaten getötet und fünf weitere schwer verletzt. Dies teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam mit.
Nach Informationen der Deutschen Presseagentur wurden die deutschen Soldaten angegriffen, als sie auf der Suche nach Minen waren. Die Bundeswehr war mit afghanischen Sicherheitskräften und weiteren Angehörigen der internationalen Afghanistanschutztruppe im Einsatz.
Rund 200 Angreifer
Wie der Verwaltungschef des Bezirks Char Darah, Abdul Bahid Omar Chil, mitteilte, wurde bei dem Gefecht auch mindestens ein Taliban-Kämpfer getötet und ein weiterer verletzt. Omar Chil schätzte die Zahl der angreifenden Aufständischen auf rund 200.
Die Bundeswehr und die afghanischen Polizisten hätten keine schweren Waffen einsetzen können, weil sich die Schützen der Taliban in Häusern von Zivilpersonen verschanzt hätten. Dorfbewohner berichteten laut einer dpa-Meldung von zahlreichen zerstörten Häusern. Hubschrauber brachten die verletzten deutschen Soldaten ins Feldlager Kundus.
Guttenberg bricht Urlaub ab
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg brach seinen Osterurlaub ab und kehrt vorzeitig nach Deutschland zurück. In einer ersten Erklärung zeigte sich der CSU-Politiker betroffen über den Tod der drei Soldaten. "Angesichts von Gefechten dieses Ausmaßes wird deutlich, wie gefährlich der gleichwohl notwendige Einsatz in Afghanistan ist", betonte der Verteidigungsminister.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in Berlin von einem "verabscheuungswürdigen und hinterhältigen Angriff". "Mein Mitgefühl gilt in diesen schweren Stunden vor allem den Angehörigen der ums Leben gekommenen und verwundeten Soldaten. Ich trauere mit ihnen um die Opfer", erklärte die Kanzlerin.
Entwicklungsminister Dirk Niebel, der am Donnerstag zu einem Besuch in Afghanistan eingetroffen war, erklärte während eines Aufenthalts im Hauptquartier des Regionalkommandos Nord in Masar-i-Scharif, der Angriff zeige, wie gefährlich das Engagement der Soldaten und der zivilen Kräfte in Afghanistan sei. Gleichzeitig mache er deutlich "wie wichtig dieses Engagement ist, damit diesen Terroristen nicht die Chance gegeben wird, sich durchzusetzen".
Bezirk ist Hochburg der Taliban
Char Darah gilt als Hochburg der Taliban und als gefährlichster der sechs Distrikte in der nordafghanischen Provinz Kundus. Bereits im Juni 2009 waren dort bei einem Unfall nach einem Taliban-Angriff drei deutsche Soldaten ums Leben gekommen. Im Juli 2009 hatten deutsche und afghanische Soldaten eine große Offensive unternommen, um die radikalislamischen Kämpfer zurückzudrängen.
Im Norden Afghanistans sind derzeit etwa 4500 deutsche Soldaten stationiert. Ende Februar hatte der Bundestag einer Erhöhung des Bundeswehrkontingents um 850 auf 5350 Soldaten zugestimmt. Davon sind 350 Mann als flexible Reserve vorgesehen. Die Erhöhung der Zahl der Soldaten ist ein Teil des deutschen Beitrags zu der neuen Afghanistan-Strategie, die auf einer Konferenz in London Ende Januar beschlossen worden ist. Sie soll die afghanische Regierung befähigen, die Verantwortung für die Sicherheit im Lande selbst zu übernehmen.
Kritik an Afghanistan-Einsatz
Unterdessen hat der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) den Afghanistan-Einsatz kritisiert. Diesen als Friedens- und Stabilisierungsmission zu bewerten, sei eine "Lebenslüge" der Politik, sagte Rühe noch vor den jüngsten Gefechten bei Kundus. "Das Abenteuer Afghanistan muss beendet werden", forderte Rühe in einer ZDF-Dokumentation, die in der kommenden Woche ausgestrahlt wird.
Auch der Vorsitzende des Evangelischen Kirchenrats, Präses Nikolaus Schneider, äußerte sich kritisch. "Der Konflikt in Afghanistan ist aus dem Ruder gelaufen", sagte der er dem "Hamburger Abendblatt" (Samstag) ebenfalls vor den jüngsten Gefechten in der Region Kundus. Schon seine Amtsvorgängerin Margot Käßmann hatte deutliche Kritik am Krieg in Afghanistan geübt. Am Karfreitag demonstrierten zudem bundesweit mehrere Tausend Menschen auf den traditionellen Ostermärschen für ein Ende des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan.
Autor: Michael Wehling (dpa/afp/apn/rtr)
Redaktion: Dirk Eckert