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Politik

Taiwans Luftraum und Chinas Aggression

4. Oktober 2021

Verschiedene Medien berichteten am Wochenende, dass chinesische Kampfflugzeuge Taiwans Luftraum verletzt hätten. Die Pauschalbehauptung ist völkerrechtlich gesehen nicht ganz korrekt. Die DW erklärt die Unterschiede.

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Ein taiwanesischer Kampfjet neben einem Bomber der Volksbefreiungsarmee im Jahr 2018
(Archiv) Ein taiwanesischer Kampfjet neben einem Bomber der Volksbefreiungsarmee im Jahr 2018Bild: picture-alliance/AP Photo/Ministry of National Defense

In den drei Tagen seit dem Nationalfeiertag der Volksrepublik China am 1. Oktober passierten nach Angaben des taiwanesischen Verteidigungsministeriums mehr als 100 Kampfflugzeuge der Volksbefreiungsarmee die Insel Taiwan im Südwesten in etwa 200 bis 300 Kilometer Entfernung (siehe Tweet des Verteidigungsministeriums vom Montag). Zu wenig Abstand aus Sicht Taiwans, das jederzeit eine militärische Invasion vom Festland China fürchtet.

Internationale Medien berichteten daraufhin, dass die Volksrepublik China in den Luftraum der Republik China (Taiwan) eingedrungen sei. Allerdings muss hier genau unterschieden werden: Es gibt einerseits den nationalen Luftraum, der durch das internationale Recht geregelt ist, und sogenannte Luftraumüberwachungszonen (Air Defense Identification Zone, kurz ADIZ), die keine Grundlage im internationalen Recht haben.

Nationaler Luftraum

Der nationale Luftraum eines Staates gilt über dem gesamten Land- und Seegebiet eines Staates. An der Landesgrenze zweier Staaten berühren sich demnach zwei Lufträume, die sich über den Landesgrenzen erheben. Über dem Meer gilt, dass der Luftraum über den Hoheitsgewässern ebenfalls zum Staatsgebiet zählt. 

Die Hoheitsgewässer sind definiert als der Bereich von der Basislinie bis hinaus zu zwölf Seemeilen. Die Basislinie ist in der Regel die Niedrigwasserlinie. Der Luftraum über den Hoheitsgewässern zählt als nationaler Luftraum (siehe Grafik).

Maritime Zonen im Seerecht
Der nationale Luftraum erstreckt sich auch über die Hoheitsgewässer

Das internationale Recht legt fest, dass der Staat im so abgegrenzten nationalen Luftraum volle Souveränität hat und die Benutzung eigenständig regeln kann. 

In den meisten Fällen bedarf der Einflug eines zivilen Flugzeugs in den nationalen Luftraum keiner Genehmigung. Das wurde im sogenannten Chicagoer Abkommen von 1944 geregelt. Demgegenüber ist das Eindringen von Militärflugzeugen ohne ausdrückliche Genehmigung des Staates nicht gestattet.

Luftraumüberwachungszonen (ADIZ)

Vom nationale Luftraum unterscheidet sich die Luftraumüberwachungszone. Diese wird einseitig von Nationalstaaten ausgerufen, und zwar aus Gründen der militärischen Luftverteidigung. Sie ist im internationalen Recht nicht bindend und kann im Prinzip jede Form und Gestalt annehmen. Die Staaten, die eine ADIZ ausrufen, erwarten von durchfliegenden Flugzeugen (zivil und militärisch), dass sie sich erstens identifizieren und zweitens regelmäßig ihre Koordinaten durchgeben. 

Aktuell haben insgesamt 20 Staaten ADIZ eingerichtet (darunter die USA, Kanada, Australien, Japan, Südkorea, Taiwan, China, das Vereinigte Königreich, Norwegen, Indien und Pakistan). Die ersten ADIZ, die in den 1950er Jahren eingerichtet wurden, verlangten Auskunft nur dann, wenn die Flugzeuge anschließend in den nationalen Luftraum einfliegen wollten. Auch waren die ersten ADIZ so gestaltet, dass sie sich weder überlappten noch umstrittene Hoheitsgebiete einschlossen.

In Ostasien ist das allerdings längst nicht mehr der Fall. Die ADIZ überlappen sich und schließen umstrittene Gebiete ein.

Infografik Luftraumüberwachung Ostasien DE

Taiwan fühlt sich bedroht

Die Volksrepublik China hat am vergangenen Wochenende nicht den nationalen Luftraum Taiwans verletzt, wie Jerry Song, Senior Editor der Zeitschrift Defence International, gegenüber der DW bestätigte: "Das Manöver in den vergangenen Tagen ist eher ein symbolischer Akt, um den Druck auf Taiwan zu erhöhen. Richtig brisant wäre es, sollten sie in den Luftraum über das Hoheitsgebiet von Taiwan eindringen, dann wäre Taiwan gezwungen, sie abzuschießen."

Die de facto unabhängige Republik China (Taiwan) wird von der Volksrepublik China nicht anerkannt. Es gehört zur Staatsräson Pekings, Taiwan als "abtrünnige" Provinz zu betrachten. 2005 verabschiedete China das Anti-Spaltungsgesetz, das die Anwendung von Gewalt legitimiert, wenn sich Taiwan unabhängig erklären sollte. Einschüchterungsversuche wie die vom vergangenen Wochenende gehören zum festen Repertoire, um den Anspruch der Kommunistischen Partei Chinas zu unterstreichen. 

In den letzten Jahren hat der Druck auf Taiwan deutlich zugenommen. Ying Yu Lin von der Sun-Yatsen-Nationaluniversität in Taipeh sagte der DW: "China wird versuchen, mit minimalem Militäreinsatz Taiwan zu bezwingen. Dafür setzt Peking Taiwan wirtschaftlich und diplomatisch unter Druck. Es wird auch versucht, die Unzufriedenheit der taiwanesischen Bevölkerung gegenüber ihrer Regierung zu schüren."

Unter Mitarbeit von Tsung-Hsien Lee (Taipeh).

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia