Neuer Vorstoß für ein Einheitsdenkmal
11. September 2016Sind wir Deutschen denkmalfähig? Kann sich eine pluralistische Demokratie heutzutage überhaupt noch auf ein nationales Denkmal verständigen? Haben wir Deutschen uns auf eine gemeinsame nationale Erzählung verständigt, die sich in einem Einheitsdenkmal widerspiegeln könnte? Und nicht zuletzt: Brauchen wir überhaupt ein neues Einheitsdenkmal, wo doch viele Menschen bereits im Brandenburger Tor eben jenes Denkmal sehen?
Fragen, aber keine Antworten
Kurz vor dem alljährlichen "Tag des öffentlichen Denkmals" an diesem Sonntag stellte Kulturstaatsministerin Monika Grütters genau diese Fragen. Es sind die richtigen Fragen. Die Antworten lieferte sie nicht mit. Wie auch? Nach dem krachenden Scheitern des Einheitsdenkmals im April dieses Jahres herrscht allgemeine Ratlosigkeit.
Erinnern wir uns: Mit der vielbespotteten "Einheitswippe" (siehe Bild oben) vor den Mauern des dann wiedererstandenen Stadtschlosses sollte Freude und Dankbarkeit über die wiedergefundene Freiheit für alle Deutschen ausgedrückt werden. Doch statt der Freude machte sich Frust breit. Keiner wollte dieses ungeliebte Kind zum Schluss noch haben. Zu verkopft sei das Konzept. Gewollt, aber nicht gekonnt, lauteten noch die freundlicheren Kommentare. Hinzu kommt, dass das Ende des im Jahr 2009 begonnenen Planungsprozesses besonders unrühmlich war: Nicht das Parlament setzte dem politischen und gesellschaftlichen Ringen ein Ende. Es war der mächtige Haushaltsausschuss, der nicht inhaltlich argumentierte, sondern für das Projekt schlicht den Geldhahn zudrehte – wegen der projektierten Explosion der Baukosten.
Doch jetzt, nach der Rede von Kulturstaatsministerin Grütters, hebt der Diskurs über ein Einheitsdenkmal wieder an. Vor allem die Kulturpolitiker im Bundestag wollen die Entscheidung der Haushaltshüter nicht so einfach hinnehmen.
Welches Deutschland meint Merkel?
Keiner weiß heute, wohin die Diskussion führen wird, ob zu einem neuen Anlauf, oder - was vielleicht auch Monika Grütters im Stillen hofft - zum endgültigen Aus.
Wie dem auch sei: Wir sollten nicht noch einmal den gleichen Fehler machen, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Die ästhetischen und künstlerischen Fragen sind wichtig, sollten aber zunächst hintenanstehen.
Am Anfang muss die gesellschaftliche Verständigung über uns selber stehen. Die Fragen, wer wir Deutschen sind und wo wir hinwollen. Zugegeben, das klingt theoretisch. Doch im Grunde führen wir diese Debatte gerade ganz konkret. Die Flüchtlingskrise hat sie uns aufgezwungen und wirft ihrerseits neue Fragen auf: Wie gehen wir mit den zu uns Geflüchteten um? Wie beinflusst das unser Selbstverständnis? Wie verändert das unser Land? Wollen wir überhaupt Veränderungen?
Diese Diskussion ist äußerst schmerzhaft, weil sie Wunden schlägt. Und sie macht den Menschen Angst. Im Bundestag hat Kanzlerin Angela Merkel dem eine beruhigende Formel entgegenzusetzen versucht: "Deutschland wird Deutschland bleiben" heißt es neuerdings bei ihr. Das soll die Deutschen beruhigen und nicht noch mehr Landsleute in die Arme der rechtspopulistischen AfD treiben.
Doch was heißt das? Klammert sich die Kanzlerin an ein längst überkommenes Deutschlandbild? Will sie Verhältnisse wie in der vermeintlich guten alten Zeit, als es Flüchtlinge und Migranten bestenfalls in kleinen Zahlen gab, als die Globalisierung noch nicht wusste, wo Deutschland überhaupt liegt, das Leben der Deutschen noch einfach und übersichtlich war? Eines ist sicher: Von Angst gesteuerte, rückwärts gewandte Diskussionen werden niemanden weiterbringen – auch nicht beim politischen Projekt des Einheitsdenkmals. "Deutschland wird Deutschland bleiben" ist nun mal nicht der Werkstoff, aus dem sich ein Einheitsdenkmal bauen lässt. Solang der Realitätscheck und die Verständigung über das künftige Deutschland auf sich warten lassen, muss der Appell gelten: Hände weg vom Einheitsdenkmal!