Tabaksteuer droht Flop zu werden
30. August 2004Die deutsche Bundesregierung plante, durch die im April vorgenommene bislang letzte Stufe der Tabaksteuererhöhung rund 1,8 Milliarden Euro mehr für das Haushaltsjahr 2004 einzunehmen. Mittlerweile ruderte sie zurück und reduzierte das Einnahmeziel auf eine Milliarde Euro. Denn allein im zweiten Quartal des Jahres nahm die Regierung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 220 Millionen Euro weniger durch die Tabaksteuer ein. Aus den erwarteten Mehreinnahmen wurde ein Tabaksteuer-Minus von sechs Prozent.
Lieber drehen oder stopfen
Die Raucher wehren sich. "Anstelle von hochwertigen Zigaretten kaufen die Konsumenten billigere Tabakprodukte, wie zum Beispiel Feinschnitt", sagt Rüdiger Parsche vom Institut für Wirtschaftsforschung im Gespräch mit DW-WORLD. Und auch Peter Lind stellt fest, dass die Raucher seit der dritten Steuererhöhung im März ihre Zigarette lieber drehen oder stopfen.
Lind ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Tabakwaren-Großhändler (BDTA). "Im April 2004, das heißt nach Wirksamwerden der letzten Tabaksteuererhöhung Anfang März, brachen die Auslieferungen der Fabrikzigarettenhersteller um rund 25 Prozent ein." Für den BDTA bedeute das natürlich wirtschaftliche Verluste. Aber auch der Bundesregierung prophezeit Lind Mindereinnahmen: "Allein in diesem Jahr ist mit Steuerausfällen von eine Milliarde Euro zu rechen."
In Frankreich wehren sich unterdessen die Tabakverkäufer gegen die drastische Tabaksteuererhöhung. "Dort ist der Markt um 20 Prozent eingebrochen", so Lind. Die Einzelhändler, die eine staatliche Lizenz zum Verkauf von Tabakwahren haben, beschwerten sich mittlerweile bei der Regierung. Ihre Existenz sei gefährdet, so der Vorwurf. Premierminister Jean-Pierre Raffarin sagte daraufhin den Tabakhändlern finanzielle Hilfe zu. Grund: Seit der Erhöhung der Steuer vermehren sich in Frankreich Einbrüche in Tabakgeschäfte und auch der Schmuggel hat stark zugenommen.
Mehr Schmuggelware
Das österreichische Innenministerium teilt auf seiner Internetseite mit, dass "die hohe Tabaksteuer in einigen EU-Ländern zu einem Schmuggel-Boom geführt hat." Viele illegale Zigaretten werden aus den osteuropäischen Ländern über Österreich in die Länder geschmuggelt, wo Zigaretten teuer sind. "Frankreich wird bald zum zweitwichtigsten Zielland der Zigarettenschmuggler", prognostiziert Johannes Spalj, Sprecher der österreichischen Zollfahndung, im Interview mit DW-WORLD.
Zielland Nummer Eins ist immer noch England. Dort war die Steuer auf Tabak schon Mitte der Neunziger Jahre stark erhöht worden. Eine Packung Zigaretten kostet rund sieben Euro. Schon damals stammte jede dritte in England gerauchte Zigarette aus Schmuggelkanälen. Mittlerweile sei es lukrativer Zigaretten nach England zu schmuggeln als Marihuana, glaubt Ken Simcox, Geschäftsführer des Verbandes britischer Tabakhändler. "Zurzeit handelt es sich bei 22 Prozent der Zigaretten auf dem englischen Markt um Schmugglerware."
Noch weniger Einnahmen
Auch für Deutschland erwarten Experten einen erhöhten Handel mit geschmuggelten Zigaretten. "Bislang ist Hamburg hauptsächlich eine Transitstation. Rund 80 Prozent der hier sichergestellten Schmuggelzigaretten sind für den englischen Markt bestimmt. In Zukunft müssen wir aber damit rechnen, dass mehr hier bleiben wird", sagt Robert Dütsch vom Zollfahndungsamt Hamburg.
Nach Meinung von Rüdiger Parsche führt die höhere Tabaksteuer nicht unbedingt dazu, dass die Leute weniger rauchen oder sogar damit aufhören. "Die Zurückhaltung hielt bei den vorherigen Steuererhöhungen immer nur kurz an. Nach einer gewissen Zeit pendelte sich der Zigarettenkonsum wieder auf dem gewohnten Niveau ein." Es sei wahrscheinlich, dass die Raucher zu billigeren Produkten wechseln. "Und die Nachfrage nach geschmuggelten Zigaretten wird steigen", so Parsche. Was wiederum mehr Einahmenverluste bei der Tabaksteuer für die Regierung bedeuten würde.