Türkische Polizei geht gegen Homosexuelle vor
19. Juni 2016An der Demonstration in der Nähe des Taksim-Platzes im Zentrum der Millionenmetropole hatten etwa 50 Anhänger der Homosexuellen-Bewegung und rund hundert Unterstützer teilgenommen. Sie sahen sich einem Sicherheitsaufgebot von mehreren hundert Spezialkräften gegenüber. Als diese gewaltsam mit Gummigeschossen und Tränengas gegen die Kundgebungsteilnehmer vorgingen, flohen diese in die umliegenden Gassen. Laut türkischen Medienberichten wurden elf Menschen festgenommen.
Die Regenbogenfahne gehisst
Die Demonstranten hatten sich zuvor vor einem Büro der Homosexuellen-Bewegung nahe dem Taksim-Platz versammelt und dort die Regenbogenfahne aufgehangen - das Symbol der Bewegung der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender.
Die Demonstration fand zu Beginn der sogenannten "Pride Week" statt, einer Veranstaltungsreihe von Homo-und Transsexuellen. In den nächsten sieben Tagen waren mehrere Veranstaltungen geplant, allerdings ist das Programm von den Behörden bereits gestrichen worden.
Der Istanbuler Gouverneur hat Demonstrationen anlässlich der "Pride Week" für die gesamte Woche verboten. Der Beschluss zielt vor allem auf die Abschlussveranstaltung, der jährlichen Schwulen und Lesbenparade am kommenden Sonntag, ab.
Sie findet seit mehr als zehn Jahren statt und wurde vergangenes Jahr erstmals verboten. Damals verwies der Gouverneur auf den für Muslime heiligen Fastenmonat Ramadan. Dennoch gingen Tausende auf die Straße. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas gegen die friedlichen Demonstranten ein. Auch dieses Jahr fällt der Termin in den Ramadan.
Zur Begründung für das Verbot in diesem Jahr führte das Gouverneursamt die Sicherheit von Teilnehmern und Bürgern sowie den Schutz der öffentlichen Ordnung an. Eine ultrarechte nationalistische Gruppe hat den diesjährigen Schwulenmarsch bedroht.
Die Veranstalter der Homosexuellen-Paraden kündigten rechtliche Schritte an und kritisierten, das Verbot verstoße gegen die Verfassung. Erwartet wurde, dass Teilnehmer der Schwulenparade am kommenden Sonntag auch an das Massaker von Orlando im US-Bundesstaat Florida erinnern wollten, wo ein Schütze in einem Schwulenclub 49 Menschen getötet hatte.
Islamisten stürmen Musikgeschäft
Auffällig ist, dass gegenwärtig nicht nur Homosexuelle, sondern auch Musikfans in der Türkei Repressalien ausgesetzt sind: Erst am Samstag war die Polizei in Istanbul gewaltsam gegen Menschen vorgegangen, die gegen die Stürmung eines Plattenladens durch Islamisten protestiert hatten. Die Angreifer hatten Kunden und Mitarbeiter des Ladens zuvor aus Ärger über deren Alkoholkonsum nach einem Konzert der Rockband "Radiohead" attackiert. Die rund 500 Demonstranten, die gegen die Islamisten protestierten, wurden von der Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen auseinander getrieben.
haz/sti (afp, dpa)