Türkische Opposition lobt Baerbock für klare Worte
30. Juli 2022Am zweiten Tag ihres Türkei-Besuchs hat die Bundesaußenministerin in Ankara den Austausch mit Opposition und Zivilgesellschaft gesucht. In der Hauptstadt kam Annalena Baerbock mit führenden Politikern der größten Oppositionspartei CHP, der pro-kurdischen HDP und der nationalkonservativen Iyi-Partei zusammen. Begegnungen mit Vertretern der türkischen Regierung gab es in Ankara keine.
Es geht um das Miteinander von Menschen
Bei ihren Treffen in Ankara sagte Baerbock mit Blick auf die Streitfragen, die deutsch-türkischen Beziehungen seien "so viel mehr als die Baustellen". Ihr gehe es um Beziehungen, "die auf ein Miteinander von Menschen aufbauen". Deswegen sei es ihr wichtig, Menschen vor Ort zu treffen. Um ihre Haltung zu unterstreichen, suche sie gezielt den Austausch mit der Zivilgesellschaft. Das sei "das Herz unseres Miteinanders".
Der Ko-Vorsitzende der HDP, Mithat Sancar, dankte Baerbock für ihre offene Kritik an der türkischen Regierung. "Wir begrüßen das", sagte Sancar. Baerbock sei der "notwendigen Konfrontation" nicht ausgewichen. "Direkte Aussagen und Konfrontation sind manchmal unausweichlich, nicht nur erforderlich", sagte Sancar. Außenminister Mevlüt Cavusoglu spreche bei solchen Treffen immer eine sehr klare Sprache. Dies sei nun das erste Mal, dass sich ein deutsches Regierungsmitglied auch so klar verhalten habe. "Das war in Ordnung", sagte Sancar.
Frauenrechte sind "Gradmesser für demokratischen Zustand einer Gesellschaft"
Nach den politischen Gesprächen besuchte die Grünen-Politikerin eine Beratungsstelle für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Auch ein Zentrum für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak stand auf ihrem Programm. Beim Besuch des Beratungszentrums der Stiftung für Frauensolidarität betonte Baerbock, Frauenrechte seien weltweit "ein Gradmesser für den demokratischen Zustand einer Gesellschaft".
In Ankara hatte Baerbock zunächst das Mausoleum für Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk besucht. Sie legte dort einen Kranz nieder. Das ist obligatorisch bei einem Antrittsbesuch.
Zu ihrer Auseinandersetzung mit Cavusoglu in Istanbul äußerte sich Baerbock am Samstag nicht. Die Pressekonferenz der beiden Politiker war am Freitag zur offenen Konfrontation über die erwartete türkische Offensive in Nordsyrien, die Inhaftierung des Oppositionellen Osman Kavala in der Türkei und vor allem über den Insel-Streit zwischen Griechenland und der Türkei geworden.
Die Türkei steht wegen der Aushöhlung von Menschen- und demokratischen Grundrechten regelmäßig in der Kritik. In türkischen Gefängnissen sitzen hunderte Regierungskritiker ein. Aktivisten und internationale Organisationen werfen Erdogan regelmäßig vor, die Justiz als politisches Werkzeug zu gebrauchen, insbesondere seit nach dem gescheiterten Putsch von 2016 tausende Richter abgesetzt wurden.
qu/kle (dpa, afp)