Tödlicher Menschenhandel in Thailand
6. Mai 2015Fünf Gräber mit insgesamt 26 Toten sind in einem abgelegenen Camp nicht weit entfernt von der malaysischen Grenze entdeckt worden. Polizeiberichten zufolge handelt es sich bei den Toten um Angehörige der ethnischen Minderheit der Rohingya. Die Muslime sind wahrscheinlich aus Myanmar oder Bangladesch geflüchtet und in dem Camp verhungert oder einer Krankheit zum Opfer gefallen.
Kurz nach dem grausigen Fund hat die Polizei drei thailändische Beamte und einen Bürger Myanmars verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, Verbindungen zu einem Menschenhändlernetzwerk zu haben.
Im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt Matthew Smith, geschäftsführender Direktor der Menschenrechtsorganisationen Fortify Rights, die Hintergründe der Tragödie.
Deutsche Welle: Inwiefern ist Thailand eine Drehscheibe des Menschenhandels?
Die Rohingya flüchten seit Jahren vor Verfolgung und Diskriminierung aus Myanmar. Dieser Massenexodus begann nach blutigen Ausschreitungen gegen die Muslime in Myanmar 2012 und setzt sich bis heute fort. Männer Frauen und Kinder flüchten vor Gewalt, Zwangsarbeit und anderem Missbrauch durch die Sicherheitskräfte in Myanmar. Immer mehr Rohingya, die in Flüchtlingslagern in Myanmar leben, sehen sich gezwungen, das Land zu verlassen. In den Lagern fehlt es an allem. Ein menschenwürdiges Leben ist so nicht möglich. Andere Rohingya flüchten aus Bangladesch, wo ihnen die Regierung jede Unterstützung und jedes Asyl verweigert.
Die Sicherheitskräfte Myanmars und Bangladeschs treiben die Rohingya damit in die Hände von Menschenhändlern. Ein ganzes Volk sieht die Flucht über das Meer als letzte Chance für sich.
Über wie viele Menschen sprechen wir hier?
Das ist sehr schwer zu sagen. Allein in Thailand könnten es seit 2012 eine Viertelmillion Menschen gewesen sein.
Die Menschenhändler-Syndikate sind überregional organisiert. Sie machen sich die Verzweiflung der Rohingya zunutze und schlagen Kapital aus der Bereitschaft von Teilen der thailändischen Behörden sich am Menschenhandel zu beteiligen oder zumindest wegzuschauen. Seit Jahren ist es thailändische Politik, Rohingya durch Thailand nach Malaysia zu schleusen und auf diese Weise gemeinsame Sache mit den Menschenhändlern zu machen.
Was bedeutet die Entdeckung der Massengräber in diesem Zusammenhang?
Sie beweisen: Den Rohingya fehlt es überall an Schutz. Die Menschenhändler in Thailand betreiben Camps. In einigen Fällen wissen die Behörden sogar davon. Aber sie gehen nicht systematisch dagegen vor.
Hin und wieder wird darüber berichtet, dass thailändische Autoritäten Rohingya aus den Fängen der Menschenhändler "befreit" hätten. Tatsächlich handelt es sich um eine verschwindend geringe Zahl und es ist unklar, was mit den Geretteten passiert. Wir wissen, dass viele zurück nach Myanmar deportiert werden. Andere werden später wieder an Menschenhändler übergeben. Nicht wenige bleiben auf unbestimmte Zeit in Haft. Kein Flüchtling und kein Opfer von Menschenhandel sollte inhaftiert werden.
Wie kommen die Rohingya in diese Camps?
Ihre Reise beginnt in Myanmar oder Bangladesch. Mehr als 650.000 Rohingya sind in beiden Ländern Binnenflüchtlinge. Mehr als eine Million leben unter schwierigsten Bedingungen in Myanmar. Damit ist die Voraussetzung für den Menschenhandel geschaffen.
In der Regel bietet ein Händler eine Passage direkt nach Malaysia für 100 bis 200 US-Dollar an. Die Flüchtlinge werden dann auf Schiffe verbracht, wo sie dicht an dicht gedrängt auf die Überfahrt warten - manchmal wochenlang. Während der Überfahrt haben sie weder frisches Wasser noch ausreichend zu essen. Sie werden geschlagen und in manchen Fällen getötet. Die Boote fahren schließlich in thailändische Gewässer. Von dort geht es in Dschungelcamps, die in der Nähe der malaysischen Grenze liegen.
Warum gelingt es der thailändischen Regierung nicht, gegen den Menschenhandel effektiver vorzugehen?
Das oberste Ziel der thailändischen Behörden ist es, einen Korridor für die muslimischen Flüchtlinge nach Malaysia zu schaffen. Sie wollen keine Verantwortung übernehmen und lassen die Menschenhändler deswegen gewähren. Für manche korrupte Beamte ist es eine willkommene Gelegenheit für zusätzliche Einkünfte. Dieser moderne Sklavenhandel hat allein in den letzten zwei Jahren mehrere 100 Millionen US-Dollar Umsatz erzielt.
Thailand bezeichnet die Rohingya weiterhin als "illegale Migranten" und erkennt sie damit nicht als Flüchtlinge oder Staatenlose an. Das hat zur Folge, dass die Regierung in Thailand den Rohingya jeden Schutz sowohl nach thailändischem als auch nach internationalem Recht verweigert.
Thailand muss endlich entschlossen gegen den Menschenhandel vorgehen. Die Autoritäten müssen mehr tun, um die Menschenhändler und die korrupten Komplizen in ihren eigenen Reihen dingfest zu machen.
Matthew Smith ist Gründer und geschäftsführender Direktor der Menschenrechtsorganisationen Fortify Rights.