Südostasien im Kampf gegen Terror
26. Januar 2016Vor knapp zwei Wochen kamen bei einem Terroranschlag in der indonesischen Hauptstadt acht Menschen ums Leben, darunter auch vier Attentäter. Der Bombenanschlag auf eine Starbucks-Filiale und die anschließende Schießerei im Zentrum von Jakarta haben in der ganzen Region für Betroffenheit und erhöhte Wachsamkeit gesorgt. Die Terrorgruppe "Islamischer Staat" bekannte sich zu diesem Anschlag. Sie wolle nach eigenen Angaben Ausländer und Sicherheitskräfte treffen.
Der Anschlag sei kein Schock gewesen, so Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums "Globaler Islam", "darauf reagieren die Behörden natürlich und bessern sofort nach." Die Folgen: In Indonesien wurden 13 Terrorverdächtige verhaftet, im Nachbarland Malaysia ein Selbstmordattentäter, der einen Anschlag auf eine Bar geplant haben soll. Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur hat die höchste Terroralarmstufe ausgerufen. Sicherheitskräfte patrouillieren seitdem rund um die Uhr touristische Hauptattraktionen wie etwa das Shopping- und Entertainmentviertel Butik Bintang.
Terrornetzwerke überspannen die Region
Seit Jahren sind verschiedene terroristische Gruppen in der Region aktiv, die teilweise miteinander kooperieren. Am bekanntesten sind: Abu Sayyaf, die vor allem im Süden der Philippinen aktiv sind, die Mujaheddin des östlichen Indonesiens und Jemaah Islamiyah (JI) in Indonesien und Al-Kaida auf dem malaiischen Archipel vor allem in Malaysia. Auch in Thailands Süden kämpft eine muslimische Minderheit seit Jahren gegen die Zentralregierung. Laut der Terrorismusdatenbank der US-amerikanischen Universität Maryland sind allein in den Jahren 2013 und 2014 in Südostasien mehr als 800 Menschen durch islamistische Terroranschläge umgekommen.
Mit dem Erstarken des sogenannten Islamischen Staates (IS), dem etwa die Mujaheddin des östlichen Indonesiens im November 2015 die Treue geschworen haben, ist die Bedrohung weiter gewachsen. Die Regierungen in Südostasien befürchten, dass Rückkehrer aus Syrien ihre tödliche Expertise mitbringen wie in den 90er Jahren, als zurückgekehrte Kämpfer aus Afghanistan die regionalen Extremisten ausgebildet hatten. Etwa 600 Südostasiaten sollen im Nahen Osten kämpfen, allerdings "deutlich weniger als Nordafrikaner oder Europäer", wie Schröter vom Forschungszentrums "Globaler Islam" sagt.
Umfangreiche Maßnahmen
Die Staaten in der Region haben vor allem auf der nationalen Ebene, aber auch gemeinsam mit andern Staaten und internationalen Institutionen, immer wieder Maßnahmen beschlossen, um der terroristischen Bedrohung Herr zu werden.
So wurde eine Reihe von Antiterrorgesetzen verabschiedet, in Indonesien etwa das Gesetz zur Bekämpfung von kriminellen terroristischen Akten (2003). Es folgt das Terrorismus-Präventionsgesetz in Malaysia 2015. Des Weiteren wurden Anti-Terror-Einheiten verstärkt oder neu gegründet. Bekannt wurde die "Abteilung 88" aus Indonesien, die von den USA und Australien maßgeblich finanziert und ausgebildet wird.
Um etwas gegen die Finanzierung der Terroristen zu unternehmen, ist Singapur Mitglied der Arbeitsgruppe für finanzielle Maßnahmen gegen Geldwäsche (FATF) mit Sitz in Paris. In der Arbeitsgruppe ist Malaysia seit 2014 Beobachter. Nach den Anschlägen in Jakarta ist auch Indonesien der Terrorfinanzierung auf der Spur. Der Sicherheitsminister Luhut Panjaitan sagte am Montag (25.01.) in Singapur, dass mehr als 800.000 US-Dollar bei islamistischen Gruppen in Indonesien sichergestellt worden seien. Die Zurückverfolgung der Geldflüsse laufe derzeit. Nach derzeitigem Kenntnisstand stammten 100.000 Dollar aus Syrien, der Rest aus Australien.
Außerdem gibt es sogenannte Deradikalisierungskampagnen in Indonesien, Malaysia und auf den Philippinen. Auch der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) hatte auf den Gipfeln 2001 und 2002 gemeinsame Erklärungen zur Bekämpfung des Terrorismus verabschiedet. 2007 folgte dann eine Konvention, die die regionalen Rahmenbedingungen für die Terrorismusbekämpfung festlegen. "Die Maßnahmen haben gute Ergebnisse erzielt", sagt Schröter, "das Deradiakalisierungskonzept setzt stark auf den theologischen Gegendiskurs. Das schien lange Zeit relativ gut funktioniert zu haben."
Mehr Durchsetzung
Doch Experten sind immer noch der Meinung, dass die Maßnahmen auch möglichst schnell umgesetzt werden müssen. Die Staaten müssten die Zusammenarbeit der Geheimdienste verbessern und die Gesetze durchsetzen, statt immer neue Gesetze zu verabschieden, sagt Zachary Abuza, Terrorexperte vom National War College in Washington, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Er betonte, dass eine bessere Koordination im Kampf gegen den Terror notwendig sei, weil die Militanten aus verschiedenen Ländern der Region kommen. Schröter betont: "Der Terrorismus ist international. Insofern muss auch die Bekämpfung des Terrorismus international sein."
Die beschlossenen Anti-Terror-Maßnahmen sind in erster Linie polizeiliche und juristische. Nur der Deradikalisierungsansatz in Indonesien hat eine gesellschaftliche Komponente. Dort wird ein theologischer Gegendiskurs über den Islam geführt. Auch die malaysische Behörde für die Entwicklung des Islams (JAKIM) verabschiedete 2014 eine Fatwa, eine islamische Rechtsauskunft, nach der der Islamische Staat (IS) eine illegale Organisation ist und Kämpfer des IS im Falle ihres Todes keine Märtyrer sind.
Keine eindeutige Abgrenzung vom Extremismus
Eine repräsentative Studie des Pew-Forschungszentrums in Washington Ende 2014 zeigte, dass in Malaysia rund elf Prozent der Bevölkerung mit dem IS sympathisieren, in Indonesien sind es immerhin noch vier. Der Grund: Die Regierungen sind in ihrer Bekämpfung des Extremismus nicht eindeutig, so das Meinungsforschungsinstitut.
Der singapurische Innen- und Justizminister beklagte nach den Anschlägen von Jakarta eine "zynische Instrumentalisierung von Rasse und Religion durch säkulare und religiöse Führer in den Ländern der Region". Dies sei letztlich dir Ursache für die erhöhte Terrorgefahr.
Auch Schröter sieht die Regierungen in der Verantwortung. Der indonesische Rat der Religionsgelehrten (MUI) etwa hatte explizit eine Fatwa gegen den Pluralismus ausgesprochen und unterminiert so die Anstrengungen des Staats. Diese MUI-Fatwa wird von manchen als Legitimation religiös motivierter Gewalt aufgefasst.
"Da trifft eine puristisch-fundamentalistische und gewaltbereite Ideologie von oben auf konservative Vorstellungen in der Bevölkerung." In der Folge sei die liberale Auffassung vieler indonesischer Muslime erodiert. "Das gibt zu Bedenken, weil es eben nicht nur ein paar identifizierbare Hardliner sind, die der Staat unter Kontrolle bringen kann."
Und das gelte nicht nur für Indonesien, das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung. "Bedauerlicherweise gibt es im gesamten islamisch geprägten Südostasien eine Hinwendung zu sehr konservativen, sogar fundamentalistischen Spielarten des Islam."