Südkoreas Konservative im Aufwind
6. Juli 2021In Südkorea ist der Startschuss für die Präsidentenwahl im März 2022 gefallen: Als erster ernsthafter Anwärter stieg Yoon Seok Youl (Artikelbild) in das Rennen ein. Knapp vier Monate nach seinem Rücktritt als Generalstaatsanwalt erklärte der 60-Jährige am vergangenen Dienstag, er wolle Nachfolger von Präsident Moon Jae In werden. Darauf warf am Montag (5.7.) Ex-Ministerpräsident Lee Nak Yon, ein früherer Chef der regierenden Demokratischen Partei, seinen Hut in den Ring. Das Bewerberfeld wird bald weiter wachsen. Auch Lee Jae Myung, Gouverneur der Provinz Gyeonggi und Schwergewicht der Demokratischen Partei, will sich um das höchste Staatsamt bewerben. Präsident Moon kann nicht mehr antreten, da die südkoreanische Verfassung nach fünf Jahren Amtszeit keine Wiederwahl erlaubt.
In der kurzen Geschichte von Südkoreas Demokratie ist Yoon der erste Kandidat mit einer vorherigen Karriere als Staatsanwalt. Er hatte von 2016 an den Korruptionsskandal der früheren Präsidentin Park Geun Hye aufgearbeitet. Nachdem Präsident Moon ihn 2019 zum obersten Strafverfolger beförderte, ermittelte er wegen Korruption auch gegen Beamte und Helfer im Umfeld von Moon. Schließlich kam es wegen der Reform der Staatsanwaltschaft zum Zerwürfnis mit der Regierung. Im März gab Yoon sein Amt auf, um Politiker zu werden.
Fokus auf Korruption und Ungleichheit
Sein Einsatz gegen Bestechlichkeit und Begünstigung hat dem Juristen starke Umfragewerte beschert. Zum Auftakt seiner Kampagne warf er der Regierung vor, "korrupt" und "inkompetent" zu sein und Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit zerstört zu haben. Ein Kartell von kleinen Interessengruppen habe die Macht privatisiert. Zugleich kritisierte Yoon die gestiegene soziale Ungleichheit: Während der Amtszeit von Moon sind die Wohnungspreise in Seoul um 88 Prozent und landesweit um 57 Prozent gestiegen. Trotz boomender Exporte geht der Arbeitsmarkt durch das tiefste Tal seit der Asienkrise 1997/8. Knapp zehn Prozent der Südkoreaner zwischen 15 und 29 Jahren sind arbeitslos.
Zum Kampagnenstart stellte sich Yoon als Saubermann dar, obwohl seine Schwiegermutter am vergangenen Freitag zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil sie für ein illegales Krankenhaus staatliche Gelder erhalten hatte. "Ich habe keine Erfahrung in der Politik, aber als Beamter 26 Jahre lang nur für das Volk gearbeitet", betonte Yoon. Seine Marketingstrategie halten politische Beobachter für erfolgversprechend, denn auch Präsident Moon war mit dem Versprechen von mehr Gerechtigkeit ins Amt gekommen. "Allerdings klingen die Formulierungen von Yoon teilweise populistisch und damit besorgniserregend", meint Thomas Yoshimura, Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul.
Richtungswechsel in der Außenpolitik?
Die Wirtschafts- und die Innenpolitik dürften den Wahlkampf dominieren. Das Ausland wird jedoch vor allem beobachten, ob ein außenpolitischer Richtungswechsel bevorsteht. Liberale und progressive Staatschefs wie Amtsinhaber Moon setzen sich traditionell für engere und bessere Beziehungen zu Nordkorea und China sowie eine härtere Gangart gegenüber Japan ein. Dagegen beurteilen konservative Präsidenten Nordkorea eher mit Skepsis, neigen zum Schulterschluss mit dem Allianzpartner USA und verstehen sich besser mit Japan.
Derzeit dreht der politische Wind: Bei den Bürgermeisterwahlen im April kam es zu einem Stimmungsumschwung zugunsten der Konservativen. In der Hauptstadt Seoul gewann Oh Se Hoon von der größten Oppositionsgruppierung "People Power Party" mit klarem Abstand, in der südlichen Hafenstadt Busan siegten die Konservativen noch deutlicher. Ein Jahr zuvor, bei den nationalen Parlamentswahlen von 2020, hatte die linksgerichtete Demokratische Partei von Präsident Moon noch einen haushohen Sieg erringen können.
Konservatives Lager formiert sich
Bewerber Yoon zieht als Konservativer in den Wahlkampf. Er teile das Gedankengut der "People Power Party" (PPP), erklärte Yoon vergangene Woche. Zu Nordkorea äußerte er bisher nicht, mit Japan will er einen "großen Deal" über historische und wirtschaftliche Streitfragen aushandeln. Jedoch ließ Yoon offen, ob er der größten Oppositionspartei beitreten und auf ihrem Ticket kandieren will. Deren neuer, erst 36-jähriger Vorsitzender Lee Jun Seok kann nicht Präsident werden, da er das vorgeschriebene Mindestalter von 40 Jahren nicht erreicht. "Bisher bleibt unklar, ob sich Yoon und die PPP einigen können, zumal Yoon an der Absetzung von Präsidentin Park führend beteiligt war und die Konservativen damals in eine Krise stürzte", meint der deutsche Beobachter Yoshimura.
Noch bleibt Yoon Zeit zum Taktieren, die PPP kürt ihren Kandidaten erst im Herbst. Derzeit verhandelt sie mit der oppositionellen People's Party über einen Zusammenschluss für eine gemeinsame Front. Als politischer Außenseiter könnte sich Yoon schwer tun, ein geeinigtes konservativer Lager ohne eigenes Netzwerk zu führen. "Seine Kandidatur erscheint damit als erstes Stück eines Puzzlespiels, das in den kommenden acht Monaten die südkoreanische Politik bestimmen wird", kommentiert Yoshimura.