Südchinesisches Meer: Waffen statt Lösungen
27. Juli 2017Es rumort wieder im Südchinesischen Meer. Nachdem die letzten Monate vergleichsweise ruhig waren, haben in den vergangenen Tagen und Wochen drei Ereignisse für Aufmerksamkeit gesorgt.
Zum einen ist da die Liste der Skurrilitäten im Südchinesischen Meer, die um einen Punkt reicher ist: China hat auf der auch von Vietnam beanspruchten Insel Woody Island, die zu den Paracel-Inseln gehört, ein Kino eröffnet. Nun können die 200 Einwohner, überwiegend Soldaten, auf der gerade einmal 2,6 Quadratkilometer großen Insel endlich Filme auf der großen Leinwand schauen.
Dann erklärte der chinesische Außenminister Wang Yi bei seinem Staatsbesuch auf den Philippinen in dieser Woche, dass China ein gemeinsames Vorgehen zur Erkundung des Südchinesischen Meeres begrüße. Zugleich warnte er vor unilateralen Aktionen und ermahnte die Anrainerstaaten, sich gegen jede Einmischung von Außenstehenden zu wehren. Mit seiner Aussage zielte der chinesische Außenminister wohl auch auf Vietnam.
Denn: Die vietnamesische Regierung hat nach Berichten der BBC auf Druck von China eine Gas-Exploration rund 400 Kilometer südöstlich der vietnamesischen Küste gestoppt. Die Schiffe der spanischen Firma Repsol wurden angewiesen, das Gebiet zu verlassen. China soll für den Fall einer Fortsetzung der Bohrungen mit einem Angriff auf vietnamesische Stützpunkte auf den Spratly-Inseln gedroht haben. So gibt die BBC einen leitenden Angestellten von Repsol wieder, der sich auf die Regierung in Hanoi beruft.
Diese drei ganz unterschiedlich gelagerten Ereignisse machen deutlich: Erstens, China weicht keinen Deut von seinem Standpunkt ab, demzufolge es sich bei den umstrittenen Gebieten selbstverständlich um chinesisches Territorium handelt. Zweitens, dass China mit seinem bilateralen Ansatz Erfolg hat und sich die Staaten der ASEAN auf keine gemeinsame Position einigen können. Drittens, dass Einschüchterung herrscht statt internationalem Recht.
Staaten im Rüstungsrausch
Die Ereignisse zeigen auch, dass es mit Blick auf das Südchinesische Meer keinerlei Fortschritte bezüglich Krisenprävention oder Konfliktmanagement gegeben hat. Das ist insbesondere deshalb besorgniserregend, weil die Anrainerstaaten keine andere Antwort finden als die Anhäufung und Modernisierung von Waffen.
Im vergangenen Jahr 2016 stiegen die Militärausgaben in der Region um durchschnittlich über fünf Prozent. In Südostasien sind die Militärausgaben zwischen 2005 und 2016 durchschnittlich um 57 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen investierte die Volksrepublik China nach Angaben des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstitutes (SIPRI) 2016 225 Milliarden US-Dollar in die Rüstung. Das ist mehr als alle südostasiatischen Nationen zusammen. In absteigender Reihenfolge sind die fünf größten Rüstungsbezieher: Singapur (10 Mrd.), Indonesien (7,7 Mrd.), Thailand (6 Mrd.), Vietnam (5 Mrd.), Malaysia (4,2 Mrd.). "Besonders ausgebaut werden die Kapazitäten der Marine und der Luftwaffe", erklärt der Politologe und Rüstungsexperte Marius Bales vom Bonn International Center for Conversion (BICC).
Neuausrichtung der Streitkräfte
Voraussetzung für die massive Aufrüstung in der Region ist die wirtschaftliche Erfolgsstory der Volksrepublik China und der Länder Südostasiens. Erst das Wirtschaftswachstum der vergangenen 20 Jahre hat den Ländern finanziellen Spielraum gegeben, um die Streitkräfte zu modernisieren oder auszubauen.
Als Gründe für die Aufrüstung nennt Bales die zunehmende Dominanz Chinas, ein wachsendes Misstrauen gegenüber den USA und zwischen den Anrainerstaaten. "Das Misstrauen wächst, weil es keine tragfähige Sicherheitsarchitektur in der Region gibt." Trotz der Vielzahl von Foren und Konferenzen, die der Verband südostasiatischer Nationen jedes Jahr ausrichtet (ASEAN-Gipfel, ASEAN Regional Forum, ASEAN-Treffen der Verteidigungsminister etc.), ist es den Streitparteien bis heute nicht gelungen, einen verbindlichen Verhaltenskodex zu verabschieden.
Das Ziel der Rüstungsprojekte in Südostasien ist vor allem die Sicherung der Außengrenze. Für viele südostasiatische Länder bedeutet das eine Neu- und Umstrukturierung ihrer Streitkräfte, die bisher vor allem nach innen gerichtete Aufgaben wie die Aufstandsbekämpfung oder die Machtsicherung übernommen haben. "Die Länder wollen mehr strategische Optionen: schnellere Einsatzbereitschaft und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit anderer Staaten."
Das ist aktuell nicht vielen Staaten möglich. "Die philippinische Marine ist zurzeit nicht in der Lage, das Eindringen feindlicher Kräfte in das eigene Hoheitsgebiet effektiv zu unterbinden. Das liegt an der Quantität, aber auch der Qualität der Waffensysteme."
Auf welche Weise die Verteidigungsfähigkeit möglichst kosteneffizient erreicht werden kann, zeigt der Fall Vietnam. Da das Land mit den chinesischen Rüstungsausgaben nicht Schritt halten kann, muss es sich auf eine Strategie verlegen, die die Kosten einer militärischen Auseinandersetzung für China in die Höhe treiben. "Vietnam hat auf Waffensysteme gesetzt, die eher einer asymmetrischen Kriegsführung dienen, wie zum Beispiel schnelle Patrouillenboote, Raketenabwehrsysteme und U-Boote."
Instabilität wächst mit jedem Schiff
Im Ergebnis führt das in der ganzen Region zu einer Aufrüstungsspirale und zu wachsender Instabilität. "Die Anhäufung von Waffen schafft keine Sicherheit. Kommunikation, Austausch von Informationen, Transparenz und gegenseitige Kontrolle schaffen Sicherheit", sagt Bales. "Das Risiko unabsichtlicher Kollisionen und Konfrontationen steigt." Denn immer mehr Schiffe bewegen sich in einem unübersichtlichen Gewirr umstrittener Hoheitsansprüche.