Südafrikas Kirchen öffnen sich
28. April 2017Das spitze Kirchendach ist von lila-blauen Jacaranda-Blüten übersät. Es ist heiß und durch die offene Holztür der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde "St. Peter's by the Lake" im Johannesburger Wohnviertel Parkview dringt schallend der Gesang aus dem Gottesdienst nach draußen. Drinnen sitzen schwarze und weiße Kirchgänger beisammen und hören der Andacht des deutsch-südafrikanischen Pastors zu. Dann spielt die Musikband des Jugendchores und die Menschen der Gemeinde stehen auf, klatschen und wiegen sich laut singend zum Rhythmus.
"St. Peter's by the Lake" ist ein Positivbeispiel für die Überwindung der Rassentrennung in Südafrika. Nicht immer wurde hier gemeinsam gefeiert: Während der Apartheid legte die lutherische Kirche in Südafrika großen Wert darauf, "weiß" zu sein, und wurde sogar für einige Jahre aus dem lutherischen Weltbund der Kirchen ausgeschlossen. "Man empfand diese Beschränkung auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe als nicht dem Evangelium entsprechend", sagt Heike Spiegelberg vom Zentrum für Mission und Ökumene in Hamburg, die selbst viele Jahre in Johannesburg lebte und arbeitete.
Bunte Gesellschaft - viele Religionen
So multikulturell und bunt die südafrikanische Gesellschaft ist, so vielfältig sind auch die religiösen Konfessionen im Land. In ihrer überwiegenden Mehrheit sind Südafrikaner christlichen Glaubens. Starke Verbreitung und starken Zulauf über alle Rassenschranken hinweg haben Pfingst- und charismatische Kirchen.
Die lutherischen Kirchen im südlichen Afrika wurden von Missionsgesellschaften oder deutschen Einwanderern, die seit dem 18. Jahrhundert kamen, gegründet. Insbesondere in Namibia hat die lutherische Kirche bis heute eine große Anhängerschaft und ist stark deutsch geprägt, weil die deutsche Kultur auch nach der Kolonialzeit im gesellschaftlichen Leben gegenwärtig ist.
Niederländische Kirche befürwortete Rassentrennung
In Südafrika wurden die kirchlichen Hauptströmungen durch die holländischen und britischen Kolonialherren mitgebracht. "Die Niederländer haben ihre kalvinistischen Traditionen kirchlich stark verbreitet", sagt Spiegelberg. Die reformierte niederländische Kirche war von Jan van Riebeeck im 17. Jahrhundert in die damalige Kap-Kolonie gebracht worden. Die Kirchenideologie unterstützte das Apartheidsystem und befürwortete strikt die Rassentrennung, die sie institutionalisierte.
"Die lutherische Kirche spielt in Südafrika nur eine geringe Rolle", sagt Spiegelberg. Sie hat nach Angaben des ökumenischen Kirchenrates rund 590.000 Mitglieder in 2300 Gemeinden. "Bisher ist es nicht gelungen, die unterschiedlichen lutherischen Kirchen, die historisch entstanden sind, zu einer Kirche zusammenzuführen", so Spiegelberg. "Sie bestehen weiterhin als getrennte Kirchenorganisationen nebeneinander." Laut Spiegelberg ist für diese Trennung auch die Apartheid verantwortlich.
Weiße Kirche wird afrikanisch
Mittlerweile gebe es vor allem auf Gemeinde-Ebene gute Ansätze und Projekte, über Rassengrenzen hinweg aufeinander zuzugehen, sagt Spiegelberg. In der afrikanisch-lutherischen Kirche etwa sind überwiegend schwarze Gemeindemitglieder im Gottesdienst. Ein Beispiel ist die Friedenskirche in Hillbrow, einem heute von Schwarzen und vielen afrikanischen Einwandern geprägten Innenstadtteil von Johannesburg. Vor mehr als zehn Jahren gab es dort die Deutsche Botschaft und Deutsche Schule; die Kirche war von der deutschen lutherischen Gemeinde bestimmt. Doch die Deutschen zogen aus der Innenstadt weg, die stark kriminalisiert ist. Die Kirche jedoch entschied sich, für die dort lebenden Menschen zu bleiben.
"Hillbrow war ein Ort, wo die Europäer lebten und sich in Afrika trafen. Jetzt ist es der Treffpunkt für Afrikaner", sagt der südafrikanische Pastor Remo Köhne. Weiße Mitglieder gibt es nicht mehr, aber die Kirche betreut sie in den Altenheimen. Kirchen in Südafrika seien gemischt, manche mehr "weiß" und andere mehr "schwarz" orientiert, sagt Köhne: "Wir haben viele schwarze Pastoren in unseren Kirchen."
"Gott ist für jedermann"
Pastor Lebang Matlhadisha predigt in Cosmo City, einem Township bei Johannesburg. Seine "Apostolic Faith Mission"-Kirche ist eine Pfingstkirche. "Jeder ist willkommen, denn Gott ist für jedermann", sagt Matlhadisha. Die Gläubigen in seiner Kirche sind jedoch allesamt schwarz. "Wir sind zwar gegen eine Rassentrennung, aber die Weißen kommen nicht. Sie leben nicht in diesen Orten und manche haben noch Angst, herzukommen. Das rassistische Element der Apartheidzeit spielt noch eine Rolle", glaubt Matlhadisha.
Die Liturgie in den heutigen "schwarzen" Kirchen erinnert kaum noch an das Christentum, das Siedler und Missionare nach Südafrika brachten. Die Menschen wollen auf ihre eigene kulturelle Weise predigen und tanzen und dazu gehören oft auch Ahnenkult und afrikanische Rituale. "Ethnische Volksgruppen dieser Kirchen bleiben - besonders auf dem Land - oft unter sich und üben Religion in ihrer Sprache aus", so Matlhadisha.
Gleichzeitig sei es in konservativen Gegenden noch heute noch so, dass weiße Südafrikaner in ihren Kirchen unter sich blieben. Vor allem in den Städten würden sich inzwischen aber selbst die weißen Afrikaaner, die Buren, langsam öffnen: "In ihrer reformierten Kirche bleiben sie morgens unter sich, bieten aber später am Tag Gottesdienste für alle an", sagt Matlhadisha.