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Bereit für Militärschlag in Syrien

Andreas Gorzewski23. Juli 2013

Die US-Regierung diskutiert einen Militärschlag gegen das syrische Regime. Einen Angriff erwarten Experten zunächst nicht. Unter Umständen könnte sich Washington dennoch zur Intervention gezwungen sehen.

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Der US-Flugzeugträger Abraham Lincoln (Archivfoto: AP)
Bild: AP

Die US-Militärs haben die Pläne für einen Militärschlag gegen das syrische Regime offenbar schon in der Schublade. Die Regierung in Washington diskutiert einen Angriff als eine von mehreren Möglichkeiten, Einfluss auf die Entwicklung in dem Bürgerkriegsland zu nehmen. Das erklärte Generalstabschef Martin Dempsey am Donnerstag (18.07.2013) bei einer Anhörung im Kongress. Dempseys Stellvertreter ergänzte: "Wir sind zum Handeln bereit, wenn wir dazu aufgefordert werden." Nachdem syrische Oppositionsführer mehrfach ein Eingreifen der USA gefordert hatten, spricht die Armeeführung nun von entsprechenden Planspielen.

US-Präsident Barack Obama steht aus verschiedenen Richtungen unter Druck, das Blutvergießen in Syrien zu stoppen. Angesichts von knapp 93.000 Toten und sechs Millionen Flüchtlingen innerhalb und außerhalb Syriens wird die Frage lauter, wie lange der Westen noch zuschauen will. Forderungen nach einem Militäreinsatz kommen auch aus der US-Politik.  Das rechte Lager hofft laut dem Syrien-Experten Heiko Wimmen von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, mit einer Intervention auch den Iran zu treffen. Teheran unterstützt das Regime in Damaskus. Sollte Syriens Regierung stürzen, verlöre der Iran einen wichtigen Verbündeten. Das liberale politische Lager argumentiere dagegen mit dem Schutz der Menschenrechte für eine bewaffnete Einmischung, sagt Wimmen im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Washington überdenkt seine Optionen

Die Worte des Generalstabschefs bedeuten noch keinen grundsätzlichen Kurswechsel in Washington. "Das Timing für die Äußerungen von Martin Dempsey hat weniger mit Ereignissen in Syrien zu tun, als mit der Tatsache, dass er vor dem Militärausschuss des Senats sprach", erklärt Joshi Shashank von der britischen Sicherheits-Denkfabrik Royal United Services Institute (RUSI). Dennoch gibt es zwei Entwicklungen, die die US-Regierung veranlassen, ihre Syrien-Strategie zu überdenken und dabei auch militärische Optionen durchzuspielen. Zum einen hat das Regime angeblich chemische Kampfstoffe in begrenztem Umfang eingesetzt. Obama hatte einen Chemiewaffen-Einsatz als Rote Linie definiert, die konkrete Reaktion darauf jedoch offen gelassen. Zum anderen sind die Rebellen trotz zugesagter Hilfen in die Defensive geraten, wie Shashank betont. Vor allem nach der Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Al-Kusair seien die Truppen des Regimes auf dem Vormarsch.

Generalstabschef Martin Dempsey (Foto: dapd)
US-Generalstabschef Dempsey zufolge diskutiert die Regierung mögliche MilitärschlägeBild: dapd

Mit einem Einsatzbefehl für die US-Streitkräfte rechnen die Nahost-Experten aus Berlin und Großbritannien aber weiterhin nicht. Militärisch gesehen wäre ein Eingreifen zugunsten der Rebellen wie vor zwei Jahren in Libyen problemlos möglich, meint Shashank. "Politisch gesehen haben die USA diese Option nicht wirklich", schränkt der RUSI-Analytiker ein. Auf ein Mandat des UN-Sicherheitsrats für eine Intervention können die USA angesichts russischer Veto-Ankündigungen nicht zählen. Ein eigenmächtiger Militärschlag hätte kaum kalkulierbare Folgen. Auch Wimmen sagt: "Unter dem Strich sind die Argumente, die gegen solch eine Intervention sprechen nach wie vor sehr stark, und ich denke, die bestimmen auch nach wie vor die amerikanische Außenpolitik."

Das Gedankenspiel mit einem Militärschlag hat dennoch einen politischen Sinn. Jenseits der Reaktion auf den Druck von Interventions-Befürwortern in den USA geht es um die politische Wirkung der Drohung. Das syrische Regime wird sich nach Ansicht von Wimmen auf eine politische Verhandlungslösung nur dann einlassen, wenn es eine überzeugende Drohkulisse gebe. Wenn Präsident Baschar al-Assad tatsächlich mit US-Bombenangriffen rechnen müsse, sei er vielleicht doch zu Gesprächen bereit. 

Syrische Rebellen schießen in Deir Ezzor auf Regierungstruppen (Foto: Getty Images)
Syrische Rebellen schießen in Deir Ezzor auf RegierungstruppenBild: Getty Images

Empörung kann Handlungsdruck erzeugen

Die Drohung mit einem Waffeneinsatz könnten der Obama-Regierung unter bestimmten Umständen auch die Hände binden. Berichte über ein besonders abscheuliches Massaker könnten die Öffentlichkeit so aufwühlen, dass politischer Handlungsdruck entstehe, sagt Wimmen. " So was kann sich unkontrolliert aufschaukeln." Der Bosnienkrieg habe allerdings deutlich gemacht, dass dies nicht vorhersagbar sei. Auch in Bosnien habe es Berichte über Konzentrationslager, ethnische Säuberungen und Massaker bis hin zu Srebrenica gegeben. Trotzdem habe es sehr lange gedauert, bis sich der Westen eingemischt habe. Shashank hält einen großflächigen Einsatz von Chemiewaffen für einen möglichen Interventionsgrund. Auch wenn ein Nachbarland tief in den Sog des Bürgerkriegs hinabgerissen werde, könnte sich Washington zum Handeln gezwungen sehen. Bislang habe sich die US-Regierung aber noch auf kein Vorgehen festgelegt, ist der Sicherheitsexperte überzeugt.

Hinzu kommt, dass auch gezielte Luftangriffe auf die syrische Armee oder eine Flugverbotszone das Dilemma westlicher Hilfe für die Rebellen nicht lösen. Wie bei Waffenlieferungen an die Widerstandskämpfer ist nicht mit Sicherheit vorherzusagen, wer in der zersplitterten Opposition am meisten von einer Intervention profitiert. Wenn die US-Armee die Truppen des Regimes bombardieren würde, könnte das radikalen Islamisten wie auch pro-westlichen Gruppen nutzen. Welche Gruppe wo aktiv ist, lässt sich Wimmen zufolge in der unübersichtlichen Lage in Nordsyrien nicht immer klar ausmachen. Das mache militärische Planspiele schwer kalkulierbar.