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Syriens Konfliktparteien in der Sackgasse

Kersten Knipp 9. November 2012

Syrien ist weit vom Frieden entfernt. Weder die syrische Regierung noch der oppositionelle Syrische Nationalrat wollen verhandeln. Das hat sich jetzt erneut auf einer Konferenz des Nationalrats in Katar gezeigt.

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Rauch über der Ortschaft Taftanaz in der Provinz Idlib nach dem Beschuss durch ein Kampfflugzeug, aufgenommen am 1.11. 2012 (Foto: ENN/AP/dapd)
Bild: AP

Verzweifelte Lagen sind dazu da, bewältigt zu werden. Selbst wenn nichts dafür spricht, dass es auch nur einen Schritt vorwärts gehen könnte. So ungefähr dürfte das Motto lauten, unter dem der Syrische Nationalrat (SNC) in Doha zu einer großen Konferenz aller syrischen Oppositionsgruppen geladen hat. Dass es nicht weitergeht - dieser Umstand ist längst auch zu einem Problem für den Syrischen Nationalrat selbst geworden, der für sich in Anspruch nimmt, den Großteil aller Oppositionsgruppen zu vertreten.

Doch diesen Anspruch nehmen ihm seine bisherigen Unterstützer nicht mehr unbesehen ab. Der SNC müsse sich bemühen, sich auch für andere Strömungen der syrischen Opposition zu öffnen, ansonsten verliere er seinen Führungsanspruch, warnte US-Außenministerin Hillary Clinton vor einigen Tagen. "Nötig ist eine Opposition, die jede Gruppe und jede Region in Syrien ansprechen kann", forderte sie.

Der SNC auf Reformkurs

Auf diese Gefahr, seinen Ruf als bedeutendste Oppositionskraft zu verlieren, hat der SNC in Doha nun reagiert. "Wir wollen mehr revolutionäre Gruppen vor Ort einbinden, auch die politischen Parteien in Syrien", erklärt Khalid Saleh, einer der Sprecher des SNC, im Gespräch mit der DW. "Nachdem der Verband zunächst acht größere Gruppen umfasst hat, repräsentiert er nun 25 Gruppierungen. Gleichzeitig ist der Anteil der in Syrien aktiven Organisationen innerhalb des SNC auf über ein Drittel gestiegen", unterstreicht SNC-Sprecher Saleh. Außerdem habe sich - wie vielfach gefordert - die Zahl der Mitglieder von 300 auf 480 erhöht.

Doch reicht das? Der am europäischen Think Tank FRIDE forschende Politikwissenschaftler Barah Mikaïl äußert im Gespräch mit der DW erhebliche Zweifel. Aufgrund seiner Medienpräsenz und der großen finanziellen Unterstützung durch Assads internationale Gegner wecke der SNC den Eindruck, er vertrete ganz Syrien und die gesamte syrische Opposition. Das aber treffe nicht zu. Beim näheren Hinsehen zeigten sich erhebliche Differenzen zwischen Nationalrat und innersyrischer Opposition. Vielleicht sei der Gesprächsfaden sogar ganz abgerissen. Mikaïls Schlussfolgerung: "Der Syrische Nationalrat repräsentiert letztlich nur sich selbst."

Abdel Basset Sayda, Führer des SNC, im Gespräch mit dem Dissidenten Riad Seif während der Konferenz des Syrischen Nationalrats in Doha, aufgenommen am 6.11. 2012 (Foto: dpa)
Kriegsrat: Abdel Sayda, Führer des SNC, im Gespräch mit dem Dissidenten Riad SeifBild: picture-alliance/dpa

Ein neues Somalia?

Die Frage nach der Effizienz des SNC reicht aber über Binnenrivalitäten und persönliche Geltungsansprüche weit hinaus. Ein geschlossenes Auftreten der Opposition ist die Voraussetzung dafür, dass die Gewalt überhaupt beendet werden kann. Der Sondergesandte von UN und Arabischer Liga, Lakhdar Al-Brahimi, hat eindringlich davor gewarnt, Syrien könne ein zweites Somalia werden. SNC-Vertreter Khalid Saleh will das so nicht stehen lassen. In Somalia kämpften viele unterschiedliche Gruppen von ungefähr gleicher Stärke, erklärt er. In Syrien sehe die Lage aber anders aus. "Die oppositionelle Freie Syrische Armee ist keine ernsthafte Herausforderung für die reguläre syrische Armee. Assads Kräfte zeigen zwar einige Anzeichen von Schwäche. Aber sie verfügen immer noch über chemische Waffen und Kampfjets, die sie gegen Zivilisten einsetzen", gibt Saleh zu bedenken. Und wenn die Armee den Eindruck habe, sie könne den Kampf an Ende nicht gewinnen, würde sie auf diese Waffen noch viel stärker zurückgreifen.

Ein syrischer Panzer in der Nähe von Aleppo, 8.11. 2012 (Foto: AFP)
Starker Staat: Regierungs-Panzer in der Nähe von AleppoBild: STR/AFP/GettyImages

"Ich bin Syrer"

Umso stärker kommt es darauf an, neue Wege zu einem Ende der Gewalt zu finden. So hat Großbritanniens Premier David Cameron vorgeschlagen, Assad ein sicheres Exil im Ausland anzubieten- eine Idee, die dieser umgehend zurückwies. "Ich bin Syrer", erklärte Assad. "Ich wurde in Syrien geboren. Ich habe in Syrien zu leben und zu sterben."

Als hätte sie mit einer solchen Antwort gerechnet, erwägt die NATO auf Anfrage ihres Mitgliedstaates Türkei, an der türkisch-syrischen Grenze Flugabwehrraketen zu stationieren. Offiziell sollen sie die türkische Grenze schützen, an der es zuletzt zu militärischen Zwischenfällen gekommen war. Außerdem, so das Kalkül der türkischen Regierung, könnten die Flugabwehrraketen der NATO dazu dienen, eine Flugverbotszone im Norden Syriens durchzusetzen. Eine Flugverbotszone wäre ein sicherer Rückzugsort für Rebellen und Verwundete.

Die Stationierung der Raketen ist allerdings riskant. Einerseits könnten sie zwar Menschenleben retten. Andererseits aber könnten sie auch heftige Reaktionen von Assads Verbündeten provozieren. Barah Mikaïl bezweifelt darum, dass die Raketen dazu beitragen könnten, die Krise zu beenden. Auch eine militärische Intervention sei problematisch: Sie könne das Regime zwar stürzen - dann aber womöglich eine noch größere Krise auslösen. "Ob man will oder nicht: Die einzige Lösung für Syrien liegt in Verhandlungen zwischen dem Regime und den wesentlichen Vertretern der Opposition." Eine solche Lösung sei zwar schwer erträglich, da das Regime einen großen Teil seiner Glaubwürdigkeit und Legitimität verloren habe. "Aber es ist nach wie vor stark und zudem der wesentliche Akteur. Darum kommt niemand um Verhandlungen mit Assad herum."

Türkische Soldaten an der Grenze zu Syrien (Foto: DW)
Gewappnet: Türkische Soldaten an der Grenze zu SyrienBild: DW

Viele Wege und kein Wille

Diese Verhandlungen könnten am besten unter dem Dach der UN laufen, meint Mikaïl. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass beide Seiten zu ernsthaften Gesprächen bereit seien. Das sei derzeit aber auf beiden Seiten nicht der Fall. So hersche weiter Stillstand.

Den versuchen derzeit zahlreiche Initiativen zu überwinden. So fordert die europäische Assoziation ehemaliger Parlamentsabgeordneter aus Mitgliedstaaten des Europarates, die in Syrien kämpfenden Parteien auf, "unverzüglich alle militärischen Aktivitäten, Gewaltanwendungen und Menschenrechtsverletzungen zu beenden, für einen dauerhaften Frieden und eine politische Lösung zu arbeiten und jede notwendige Anstrengung für eine Übergangsregierung in Syrien zu ergreifen, die das Land zu einem demokratischen und pluralistischen System führt."

An Vorschlägen zur Beilegung der Krise mangelt es also nicht. Das Problem ist, dass es nicht nur Wege zum Frieden braucht, sondern auch den Willen, sie zu gehen.