Syrien-Gespräche: Prinzip Hoffnung
30. Januar 2016Deutsche Welle: Vertreter der syrischen Opposition reisen heute doch nach Genf. Ist das alleine schon ein Erfolg?
Günter Meyer: Das ist zweifellos schon ein erster Erfolg, der noch am Freitag keineswegs sicher war. Das von Saudi Arabien gestützte Hohe Verhandlungskomitee (HNC), das die wichtigste syrische Oppositionsgruppe vertritt, hatte die Teilnahme an den Genfer Verhandlungen von der Erfüllung humanitärer Vorbedingungen abhängig gemacht. Erst wenn die Luftangriffe auf zivile Ziele eingestellt und humanitäre Hilfslieferungen in die vom Assad-Regime belagerten Gebiete zusagt werden, wäre man bereit nach Genf zu kommen. Nachdem jedoch vor allem die USA auf Verhandlungen ohne Vorbedingungen beharrten, hat die Oppositionsgruppe schließlich eingelenkt und eine Teilnahme an dem "politischen Prozess" zugesagt.
Was genau will man denn in Genf erreichen?
Die im Dezember vom UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedete Resolution sieht einen 18-monatigen Zeitplan für die Beilegung des Krieges in Syrien vor. In den ersten sechs Monaten soll nach einer sofortigen Einstellung der Angriffe auf zivile Ziele eine glaubhafte, alle Parteien umfassende und nicht nach konfessionellen Gesichtspunkten zusammengesetzte Übergangsregierung gebildet werden. Am Ende des politischen Prozesses sollen freie und faire Wahlen unter UN-Aufsicht durchgeführt werden.
Ist das denn überhaupt realistisch?
Für die ausländischen Regierungen, die das Assad-Regime unterstützen oder bekämpfen, ist mittlerweile klar geworden, dass es keine militärische Lösung dieses Krieges geben kann. Zugleich hat die Flüchtlingskrise eine solche Dimension angenommen, dass der Druck auf die meisten Beteiligten, schnellstmöglich den Krieg zu beenden, so groß ist wie nie zuvor. Dennoch ist es höchst zweifelhaft, ob sowohl die innersyrischen Akteure als auch die sie unterstützenden ausländischen Mächte bereit sein werden, ihre jeweiligen Interessen zugunsten einer Friedenslösung zurückzustellen.
Gibt es denn in diesem Krieg immer noch Parteien, die davon ausgehen, dass sie nicht verhandeln müssen, weil sie militärisch überlegen sind?
Nachdem die syrische Armee mit Unterstützung von Bodentruppen der Hizbollah und des Iran und vor allem dank der russischen Luftangriffe in den letzten Wochen beachtliche Geländegewinne gegen die verschiedenen Rebellengruppen erzielen konnte, dürfte das Assad-Regime zumindest vorerst nur geringes Interesse an einer sofortigen Einstellung der Kampfhandlungen haben.
Die Terrorgruppen "Islamischer Staat" und die Nusra-Front doch sicher auch nicht.
Die Terrororganisation des "Islamischen Staates" und ebenso die zu Al-Kaida gehörige Nusra-Front sind ohnehin von den Verhandlungen ausgeschlossen. Aber auch andere radikal islamistische Milizen, wie "Ahrar asch-Scham", die zu der von Saudi Arabien, Katar und der Türkei unterstützten "Armee der Eroberung" gehören, werden kaum daran interessiert sein, ihre Waffen niederzulegen.
Ist ein Gelingen der Friedensgespräche dann nicht eher unwahrscheinlich?
Die Hindernisse auf dem Weg zu einer Friedenslösung erscheinen jetzt am Anfang der Verhandlungen noch als unüberwindlich. Dennoch besteht zumindest eine geringe Chance, dass vor allem durch den Einfluss der USA auf der einen und von Russland auf der anderen Seite die nationalen und regionalen Kriegsparteien zum Einlenken gezwungen werden können. Sicher ist dies jedoch keineswegs.
Professor Günter Meyer lehrt an der Universität in Mainz. Dort leitet er das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt.