Syrer jubeln über Festnahme in Leipzig
11. Oktober 2016"Aufruf von deutscher Polizei" steht über einem Facebook-Post mit zwei unscharfen Fotos eines dunkelhaarigen Mannes mit grauem Kapuzenpullover. Es ist ein Fahndungsaufruf des Landeskriminalamts Sachsen inklusive Rufnummer der Polizei Leipzig, bei der sich jeder melden soll, der den Verdächtigen Dschaber al-Bakr gesehen hat. Al-Bakr soll im Auftrag des sogenannten "Islamischen Staats" (IS) einen Sprengstoffanschlag professionell geplant haben und eine potenzielle Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands darstellen. Der Post wird in vielen Facebook-Gruppen geteilt - zum Beispiel in der Syrischen Gemeinde in Deutschland, einer Facebook-Community, die sich an in Deutschland lebende Syrer richtet und 195.000 Mitglieder hat.
"Bitte teilen teilen teilen" lautet der Aufruf auch in der Facebook-Gruppe German LifeStyle GLS. Dort treffen sich knapp 90.000 Mitglieder, die syrische Flüchtlinge bei ihren ersten Schritten in Deutschland unterstützen. "Wer diesen Mann gesehen hat, bitte sofort bei der Polizei melden", lautet die Botschaft. "Wir müssen hier als Syrer diejenigen von uns bekämpfen", schreiben sie, die ihren Unterstützern hier etwas antun wollten.
In Deutschland lebende Syrer sind sehr gut vernetzt, besonders über soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder WhatsApp. Dort diskutieren sie alles, was sie bewegt: deutsche Bürokratie, den Kulturschock in Deutschland oder was in ihrer Heimat passiert. Diese öffentlichen oder geschlossenen Gruppen haben oft tausende Mitglieder. Jeder Post erreicht innerhalb kürzester Zeit viele Menschen.
Einen der Aufrufe, den mutmaßlichen Terroristen der Polizei zu melden, liest auch Mohammed. Kurz vorher hatte der gesuchte al-Bakr ihn und zwei Freunde um eine Übernachtung gebeten. Jetzt schläft er bei Mohammed auf dem Sofa. Als der realisiert, dass die Polizei bundesweit nach al-Bakr fahndet, überwältigen er und seine Freunde den Gast und informieren die Polizei. Nur wenige Stunden später werden Mohammed und seine Freunde als Helden in sozialen Netzwerken und Medien gefeiert. "Wir sind geschafft, aber überglücklich: der Terrorverdächtige al-Bakr wurde in der Nacht in Leipzig festgenommen", verkünden die Beamten über den Kurznachrichtendienst Twitter.
Als sich die Nachricht von der Festnahme Dschaber al-Bakrs durch die Polizei verbreitet, atmet auch die Syrische Gemeinde in Deutschland auf: "Ein Syrer fängt den Terroristen Dschaber al-Bakr auf eine coole Art. Danke Gott, dass dieser Terrorist geschnappt und der Polizei überführt wurde. Lasst uns die Syrer willkommen heißen."
In den Netzwerken wird nicht nur gejubelt, sondern auch geflucht über Menschen wie Dschaber al-Bakr, der seine schutzsuchenden Landsleute in Misskredit bringt.
Mohammed S. zum Beispiel ist aufgebracht und findet deutliche Worte, mit denen er seinen Gefühlen Luft macht. Er ist froh, friedlich in Deutschland leben zu können.
"Nicht alle Syrer kamen hier her, um sich in die Luft zu sprengen oder Gewalttaten zu verüben. Es gibt Syrer, die wunderbare Dinge in Europa geleistet haben. Ich werde mein Bestes tun, um diesem Land zu dienen, das mich aufgenommen und mir eine Chance gegeben hat."